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Überwachungskameras sollen im Iran Verschleierungszwang durchsetzen
Im Kampf gegen den Frauenprotest setzt das Mullah-Regime jetzt auf moderne Technologie aus China. Auch die Sittenpolizei ist wieder zurück auf der Straße. Der Hashtag „heißer Sommer“ kursiert in den sozialen Medien.
BERLIN (NNA) – Das offene Tragen des Haares und freizügige Kleidung gehören für viele Frauen im Iran inzwischen zum Alltag – allerdings erfordern sie immer noch eine große Portion Mut. Wie in verschiedenen Medien berichtet wurde, setzt das Regime der Islamischen Republik inzwischen u.a. auf moderne Überwachungstechnologie, um dem Freiheitskampf der Frauen zu unterdrücken. Auch die Online-Zeitschrift Zenith hat sich mit dem Thema befasst. Sie wird vom Levante Verlag herausgegeben.
Zwar seien die berüchtigten Revolutionsgarden aus dem Straßenbild verschwunden, aber das Regime arbeite an neuen Methoden, um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen zu verhindern und die ins Wanken geratene Gesellschaftsordnung zu retten, schreibt Zenith. Physische Übergriffe – wie im Falle Mahsa Aminis, deren mutmaßliche Tötung durch die Sittenpolizei die Massenproteste erst ausgelöst hat – sollten zwar vermieden werden, zitiert die Zeitschrift den ultrakonservativen Parlamentarier Bijan Nobaveh Vatan.
Die Gewalt werde weiterhin den halboffiziellen Gruppen wie den Basidsch überlassen, von denen man sich notfalls distanzieren könne. Offizielle Einrichtungen sollen stattdessen auf „indirekte und intelligente Strafmethoden“ zurückgreifen, um Verstöße gegen die Zwangsverschleierung und andere Sittenregeln zu ahnden.
Was „indirekt und intelligent“ konkret bedeute, erfuhren die Iranerinnen und Iraner in den letzten Wochen. Fast an jeder Straßenecke stehen inzwischen hochmoderne Überwachungskameras, ausgestattet mit Technologie zur Gesichtserkennung. Frauen, die den Hijab verweigern, sollen damit identifiziert werden. Sie erhalten eine Mahnung, spätestens beim zweiten Mal eine Geldstrafe, berichtete Zenith weiter.
Die Höhe der Strafen liege aktuell bei umgerechnet bis zu 100 US-Dollar, dem aktuellen Monatslohn eines Fabrikarbeiters, Hardliner forderten Beträge bis umgerechnet 60.000 US-Dollar. Wer die Strafe nicht zahlen wolle oder könne, dessen Bankkonto wird gesperrt. „Für Reiche wird somit sogar der Hijab optional“, kritisiert die iranische Journalistin Nazila Marufian das neue Hijab-Gesetz.
Soziale Ausgrenzung von Frauen
Doch die Strafen reichen dem Bericht zufolge weit über die Geldbuße hinaus. Geschäfte, Cafés, Restaurants und Einkaufszentren, in denen Frauen ohne Hijab gesichtet werden, würden dichtgemacht. Autos, in denen unverschleierte Frauen mitgefahren sind, konfisziert. Das Ziel dieser Maßnahmen – so gebe etwa der ultrakonservative Abgeordnete Ali Yazdikhah freimütig zu: „soziale Ausgrenzung“ der Frauen, die die Zwangsverschleierung verweigern.
Allerdings, wie gerade in den letzten Tagen bekannt wurde, ist auch die Sittenpolizei wieder stärker auf der Straße präsent. Der Nachrichtensender Al Jazeera berichtete, dass Saeid Montazeralmahdi, der Sprecher der iranischen Strafverfolgungsbehörden, letzten Sonntag bestätigt habe, dass Polizeistreifen nun zu Fuß und mit Fahrzeugen gegen Personen vorgehen würden, deren Verschleierung in der Islamischen Republik als nicht angemessen gelte. Die Sittenpolizei werde „Warnungen aussprechen und dann Menschen, die leider auf ihrem normwidrigen Verhalten bestehen, ohne sich um die Folgen ihrer nicht normgerechten Verschleierung zu kümmern, der Justiz übergeben“, wurde er von staatlichen Medien zitiert. Montazeralmahdi sagte, die Polizei erwarte, dass sich jeder an die akzeptierte Kleiderordnung halte, damit die Beamten mehr Zeit für „andere wichtige Polizeiaufgaben“ haben.
Überwachungstechnologie gegen Billigöl
Den Hintergrund dieser neuen technischen Möglichkeiten für das Mullah-Regime in Teheran bildet ein Abkommen mit China über strategische Kooperation, das eine Laufzeit von 25 Jahren habe, schreibt Zenith. Im Austausch zur Lieferung von billigem Öl und der Übernahme verschiedener Wirtschaftszweige durch chinesische Firmen liefere Peking Überwachungstechnologie. Während iranische Funktionäre den Ankauf solcher Technik nie offen zugegeben hätten,, rühme sich Tiandy, der chinesische Marktführer für Überwachungs- und Verhörtechnik, ganz offen auf seiner Webseite der Geschäftsbeziehungen zu Teheran, betont Zenith.
Offensichtlich ist die Unterdrückung der Frauen im Iran ein maßgeblicher Bestandteil für die Aufrechterhaltung der Islamischen Repubik. Gebe es keinen Hijab, mache die Islamische Republik keinen Sinn mehr, zitiert Zenith Mohammad Dehghan, der Vizepräsident für juristische Fragen der Regierung. Aktivistinnen wie Masih Alinejad verglichen die Zwangsverschleierung deshalb mit der Berliner Mauer: Fällt der Hijab, fällt auch die Islamische Republik.
Auch aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage im Land sei es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder zu Massenprotesten auf der Straße komme, meinen Stimmen aus der Opposition. In den sozialen Medien im Iran kursiert Zenith zufolge ein Hashtag mit dem Titel „Es wird ein heißer Sommer“.
Zenith wurde 1999 als »Zenith – Zeitschrift für den Orient« gegründet und liefert Analysen, Reportagen und Schwerpunktthemen zu Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft in deutscher Sprache. Aufgrund der globalen Bedeutung der Ereignisse im Nahen Osten und im Mittelmeerraum erscheint Zenith jetzt auch auf Englisch und Arabisch. Dadurch möchte Zentih „zu einem lebhaften Austausch zwischen den Kulturen und Gesellschaften beitragen“, heißt es auf der Homepage.
END/nna/ung/cva
Bericht-Nr.: 230723-05DE Datum: 23. Juli 2023
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