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„Wohnungen dürfen keine Spekulationsobjekte sein“
Wohnprojekte auf der Basis von Erbbaurecht und mit genossenschaftlicher Organisation können Alternativen bieten.
BOCHUM/BERLIN (NNA) – Aus sozialen Gründen darf es keine Spekulation mit Wohnimmobilien geben. Aus diesem Grund ist der jüngste Bericht der Expertenkommission zur potenziellen Enteignung großer Wohnungsbaugesellschaften ein „Schritt in die richtige Richtung“. Dies bekräftigt GLS Bank Vorständin und Vorstandssprecherin Aysel Osmanoglu in einer Pressemitteilung der GLS-Bank. Seit 50 Jahren setzte sich die GLS-Bank bereits für bezahlbare und genossenschaftlich organisierte Projekte im Wohnungsbau ein, die das Recht auf Wohnen vor Spekulation schützen.
Der Berliner Senat hatte die aus 13 Personen bestehende Expertenkommission im März 2022 eingesetzt. Sie sollte prüfen, inwieweit die Vergesellschaftung größerer Wohnungsbestände mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Im September 2021 hatten 59,1 Prozent der Bürger und Bürgerinnenm Berlins beim Volksentscheid “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” für die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne gestimmt.
Die Kommission, der Osmanoglu angehört hat, ist nach einem Jahr der Beratung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Vergesellschaftung von großen Wohnungsgesellschaften auf der Basis von Artikel 15 des Grundgesetzes zulässig ist. Der Artikel wurde noch nie angewendet. Eine Vergesellschaftung ist nach dem Beratungsergebnis dann zulässig, wenn "die gemeinnützige Bewirtschaftung für die Zukunft gesetzlich gesichert" ist.
Durch den Bericht sei Bewegung in das Thema gekommen und die Gesellschaft müsse nun über die Frage diskutieren, wie sie mit Eigentum und Verantwortung umgehen wolle, betont Osmanoglu. „Sollen so viele Wohnungen im Besitz von Unternehmen sein, deren vorrangiges Ziel ist, ihre Anteilseigner finanziell zu befriedigen?“
Wohnen zähle zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Grund und Boden dürften deswegen keine Spekulationsobjekte sein. Durch das Hochtreiben der Preise werde bezahlbarer Wohnraum immer weiter verknappt. Aktuell kostet der Quadratmeter bei einer Neuvermietung in Berlin zwischen 14 und 22 Euro, heißt es in der Pressemitteilung der GLS-Bank – für viele Menschen sei diesen diese Mieten unbezahlbar.
Notwendig seien mehr bezahlbare und genossenschaftliche Konzepte, die dafür sorgen, dass Menschen selbstverantwortlich und rechtssicher wohnen können. Im Jahr 2022 hat die GLS Bank z.B. mit Krediten von fast 400 Millionen Euro insgesamt rund 100.000 Quadratmeter Wohnraum finanziert. 65 Prozent der Wohnprojekte haben eine Miete, die günstiger als der örtliche Mietspiegel ist. 68 Prozent fördern über das eigene Projekt hinaus aktiv die soziale Vielfalt im Quartier.
Alternative Konzepte
Bundesbauministerin Klara Geywitz hat im Laufe diesen Jahres auf Einladung der Stiftung trias und der Edith Maryon Stiftung zwei Wohnprojekte in Berlin besucht, um sich über alternative Konzepte im Wohnungsbau zu informieren.Genossenschafts- und Erbbaurechtsprojekte könnten Anregungen für politische Maßnahmen liefern, schreibt die Stiftung trias dazu. Bei ihrem Besuch habe die Ministerin besonderes Augenmerk auf drei Instrumente der Stadtentwicklung gelegt: das Erbbaurecht, Vorkaufsrechte der Kommunen und Milieuschutz-Satzungen. Letztere sollen dafür sorgen, dass eine bestimmte Zusammensetzung der Bevölkerung eines bestimmten Viertels erhalten bleibt.
Mit ihren unterschiedlichen Modellen bieten die beiden besuchten Berliner Wohnprojekte Seume 12 und Werkpalast zahlreiche Anknüpfungspunkte für die Diskussion über einen sozial-ökologisch verträglicheren Wohnungsbau, betont die Stiftung trias.
Das Wohnprojekt Seume 14 in Berlin-Friedrichshain sei beispielgebend mit seiner Absicherung des selbstverwalteten Projekts gegen eine zukünftige spekulative Verwertung. Realisiert als Kooperation zwischen dem Mietshäuser Syndikat und der Stiftung Edith Maryon, biete es durch die Kombination des Syndikats-Modells mit dem Erbbaurecht der Stiftung einen „doppelten Boden“, der eine profitorientierte Verwertung zuverlässig ausschließe und die günstigen Mieten für die 30 Wohnungen auf Generationen sichere. Außerdem beeindrucke das Projekt auch durch den hohen Grad an Eigenleistungen, die in die Sanierung des Altbaus fließen und ebenfalls zu den günstigen Mieten beitragen.
Der Werkpalast in Berlin-Lichtenberg repräsentiert Wohnprojekte, die in Zusammenarbeit einer Genossenschaft und einer Bodenstiftung umgesetzt wurden. Der Werkpalast – zu DDR-Zeiten als Kindergarten genutzt – ist ein Gemeinschaftsprojekt der Mietergenossenschaft SelbstBau e.G. und der Stiftung trias.
Solidarisches Modell
Das solidarische Modell der Genossenschaft ermögliche Mieter und Mieterinnen mit unterschiedlichem Einkommen, Teil des Wohnprojekts zu sein, im dem aktuell 20 Kinder bzw. Jugendliche und 30 Erwachsene leben. Wie beim Seume 14 Projekt beruht auch der Werkpalast auf Erbbaurecht, das von der Stiftung trias ausgegeben wurde. Außerdem ist der Werkpalast Mitglied in der Dachgenossenschaft SelbstBau e.G. Diese Konstruktion sorge dafür, dass „der Werkpalast auch in Zukunft ein spekulationsfreies und solidarisches Projekt bleibt“, schreibt trias.
Die Stiftungen trias und Edith Maryon sind Mitglied im Bündnis bezahlbarer Wohnraum, das vom Bundesbauministerium im April 2022 ins Leben gerufen wurde (NNA berichtete). Beide Stiftungen setzten sich mit Aktivisten und Aktivistinnen der Zivilgesellschaft für eine nachhaltige Bodenpolitik, ökologisches Bauen und faire Bedingungen für gemeinwohlorientierte Akteure ein.
END/nna/nh
Bericht-Nr.: 230723-03DE Datum: 23. Juli 2023
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