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Wieder Hunderte von Geflüchteten im Mittelmeer gerettet
Ärzte ohne Grenzen, Sea-Watch und SOS Mediterrannee fordern eine staatliche Rettungsflotte der EU und Beachtung der Notrufe auf der „Tödlichste Seemigrationsroute“ der Welt.
BERLIN/FRANKFURT (NNA) – Die dringende Umsetzung eines staatlichen Such- und Rettungsprogramms im zentralen Mittelmeer haben die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen (MSF), SOS Mediterrannee und Sea-Watch gefordert.
Jetzt im Sommer, wenn die Wetterbedingungen diese gefährlichen Überfahrten häufiger erlauben, komme es zu mehr Abfahrten aus Libyen, Menschen riskierten weiterhin ihr Leben, um sich in Sicherheit zu bringen.
16 Boote sind nach Angaben der drei Organisationen innerhalb von fünf Tagen aus Seenot gerettet worden, dabei waren die Geo Barents, ein von Ärzte ohne Grenzen (MSF) betriebenes Rettungsschiff und die Ocean Viking, ein von SOS Mediterranee in Zusammenarbeit mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) gechartertes Rettungsschiff, im Einsatz. In der Woche zuvor konnte die Sea-Watch 3 insgesamt 444 Überlebende von fünf Booten retten.
Ohne die zivile Seenotrettung wären diese Kinder, Frauen und Männer in internationalen Gewässern vor Libyen ihrem Schicksal überlassen worden, „auf der seit 2014 tödlichsten Seemigrationsroute der Welt“, wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung der drei Organisationen heißt.
Juan Matias Gil, MSF Beauftragter für Such- und Rettungseinsätze, berichtet von extrem intensiven Einsätzen von sechs Rettungen innerhalb von zwölf Stunden und elf innerhalb von 72 Stunden. Insgesamt seien dabei 974 Menschen gerettet worden. Derzeit seien 659 Personen an Bord der Geo Barents, was die Kapazität des Schiffs überschreite.
„ Wir haben immer wieder Notrufe erhalten, auf die sonst niemand reagiert hat, oder von der Brücke unseres Schiffs aus Boote in Seenot gesichtet und es ist unsere rechtliche und moralische Pflicht, diese Menschen nicht ertrinken zu lassen. Die Lücke der staatlich geführten Such- und Rettungsflotte zu schließen, reicht angesichts des Bedarfs einfach nicht aus. Es braucht dringend mehr Kapazitäten im zentralen Mittelmeer,” so der Appell des MSF-Beauftragten.
Widerrechtliches Eingreifen
Der Rückzug europäischer Einsatzkräfte aus der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer sowie die Verzögerungen bei der Zuweisung sicherer Häfen für die Ausschiffung Geretteter habe das Such- und Rettungssystem untergraben und die Möglichkeiten, Leben im Mittelmeer zu retten, erschwert.
Obwohl die drei Organisationen sich systematisch um eine Koordinierung ihrer Einsätze bemühten, so wie das Seerecht es vorsehe, reagierten die libyschen Behörden so gut wie nie. Damit verletzten sie ihre gesetzliche Verpflichtung zur Koordinierung von Rettungsmaßnahmen.
„In den Fällen, in denen sie selbst eingreifen und Boote in Seenot abfangen, zwingen die libyschen Seebehörden Überlebende systematisch völkerrechtswidrig nach Libyen zurück, das nach Ansicht der Vereinten Nationen nicht als sicherer Ort gelten kann“, heißt es weiter in der Erklärung.
Während 438 Gerettete am 30. Juli in Taranto, Italien, von Bord der Sea-Watch 3 gehen konnten, und die Ocean Viking die 387 zwischen dem 24. und 25. Juli geretteten Frauen, Kinder und Männer, in Salerno, Italien, an Land bringen durfte, wartet die Geo Barents immer noch auf eine Lösung für die Überlebenden, die vor bis zu sieben Tagen gerettet wurden.
“Man setzt extrem vulnerable Menschen zusätzlicher Gewalt aus, wenn man Überlebende tagelang auf dem Meer festhält, während sie darauf warten, an einem sicheren Ort an Land zu gehen. Überlebende, die in den letzten sechs Jahren von der Ocean Viking gerettet wurden, haben unseren Teams erschütternde Geschichten von Gewalt und Missbrauch erzählt“, sagt Xavier Lauth, Einsatzleiter von SOS Mediterranee.
Verschlossene Tore
Die Flucht über das Meer aus Libyen, das viele von ihnen als “Hölle auf Erden” beschreiben, sei die letzte und einzige Hoffnung, die diese Menschen hätten, ungeachtet der Risiken. „Sie haben das Mittelmeer überlebt, doch anstatt sich in Sicherheit zu wissen, müssen sie tagelang vor den verschlossenen Toren Europas darauf warten, dass ihre Menschenrechte respektiert werden,” betont Mattea Weihe, Sprecherin von Sea-Watch.
Die Einstellung europäischer Such- und Rettungseinsätze in internationalen Gewässern vor Libyen hat sich aus der Sicht der drei Hilfsorganisationen als „tödlich und völlig unwirksam bei der Verhinderung gefährlicher Überfahrten erwiesen“.
SOS Mediterranee, Ärzte ohne Grenzen und Sea-Watch fordern von EU-Mitgliedsländern und assoziierten Staaten den Einsatz einer angemessenen, staatlich geführten und proaktiven Flotte für die Seenotrettung im zentralen Mittelmeer, schnelle und angemessene Antwort auf alle Notrufe sowie einen vorhersehbaren Mechanismus zur Ausschiffung von Überlebenden.
2021 ist durchschnittlich alle sechs Stunden ein Geflüchteter im Mittelmeer ertrunken, so die erschütternde Statistik der Organisation SOS Mediterranee.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 220902-03DE Datum: 2. September 2022
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