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Wie umgehen mit Rechtspopulisten?
Die Rechtspopulisten sind an vielen Orten auf dem Vormarsch. Wie man ihren Strategien begegnen kann wird von Prof. Walter Ötsch und der Journalistin Nina Horaczek in ihrem Buch Populismus für Anfänger beleuchtet.
FRANKFURT (NNA) – Wütende Männer und Frauen, die ihre Wut über unzulängliche politische Verhältnisse ungefiltert in die Welt hinausschreien – so erscheinen Rechtspopulisten derzeit überall auf der Welt. Die Wahrheit aber ist eine andere: Die Politik der rechten Demagogen ist das Produkt eines eiskalten Kalküls – so die Grundthese von Prof. Walter Ötsch und Nina Horaczek in ihrem Buch Populismus für Anfänger.
Wie schon das erste Buch von Prof. Ötsch über den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider hat auch die neue Publikation des Hochschullehrers für Ökonomie und Kulturgeschichte an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Cues und seiner Mitautorin alle Chancen, wieder ein Bestseller zu werden.
Zum einen bietet die Publikation eine profunde Analyse der Strategien der Rechtspopulisten, die zeigt, mit welchen Mitteln das Bild einer gespaltenen Gesellschaft befördert und in den Köpfen der Anhänger zementiert wird. Zum anderen aber – besonders aktuell nach dem Ergebnis der Bundestagswahl –widmet es sich auch der Frage, wie mit den Neurechten denn nun umzugehen sei – bis hin zu ihren Wählern in Familie, Sportverein oder Kollegenkreis. Diese Wähler zu verteufeln sei ein kardinaler Fehler, betonen die Autoren.
Am Anfang des Buches steht die Analyse des Vorgehens der rechtspopulistischen Demagogen, sie zeigt, dass es sich in allen betroffenen Ländern kaum voneinander unterscheidet – von Le Pen in Paris über Strache in Österreich bis hin zu Kaczynski in Warschau, Erdogan in Ankara und Trump in Washington. „Wir und die anderen“ – so lässt sich das propagierte Weltbild beschreiben, das die Menschen auseinanderdividiert und so für alle demokratischen Gesellschaften zur Gefahr wird, denn es negiert die Möglichkeit einer Politik, die alle Mitglieder der Gesellschaft einschließt.
Und auch dies ein Charakteristikum rechtspopulistischer Strategien: für grundlegende ökonomische und soziale Probleme werden keine Lösungen aufgezeigt, stattdessen obsiegt die Emotionalisierung, die geschickt einzelne Vorkommnisse nutzt, um ihre Adressaten in ständiger Erregung zu halten. Das führe zu einer stetigen Radikalisierung. Fortwährend müssten neue Feinde geschaffen werden und neue Feinde gefunden werden. Das demagogische Weltbild der Rechtspopulisten „enthält systematisch Eskalationsspiralen, die im schlimmsten Fall zu Krieg und Bürgerkrieg führen können“, schreiben Ötsch/Horaczak in ihrer Analyse. (S.193).
Erfundene heile Welt
Wie funktioniert dies nun im einzelnen? Im Weltbild der Rechtspopulisten steht auf der einen Seite ein erfundenes „Volk“, eine rhetorische Floskel, die nur dazu diene, sich von anderen Politikern abzugrenzen. Denn nur sie selbst, so die These der rechtspopulistischen Demagogen, verkörperten den Willen dieses „Volkes“. Das so definierte „Wir“ stehe für eine Welt ohne Konflikte, ohne Spannungen und Probleme mit tüchtigen und arbeitsamen Bürgern – eine „erfundene heile Welt einer frei erfundenen Gruppe“, die es so nirgends geben kann. (S.18)
Auf der anderen Seite findet sich dann alles Bedrohliche – Flüchtlinge, Ausländer, Andersdenkende, Homosexuelle, Sozialhilfeempfänger. Auch sogenannte „Volksverräter“ gehören auf diese andere Seite. Hier wird eine Elite benannt, die sich gegen das so definierte Volk verschworen hat und seinen wirklichen Interessen ständig zuwiderhandelt. Am Elitebegriff zeige sich erneut, so die Autoren, dass es den Rechtspopulisten nicht um Analyse und Problemlösung geht: „die Elite“ gebe es nirgendwo auf der Welt, genausowenig wie „das Volk“.
Eine stichhaltige Analyse zeige eine Vielzahl von Eliten auf, die Einfluss auf die Politik nehmen – deren Wirken oder auch Versagen bei der Lösung allgemeiner politischer Probleme gelte es sehr wohl zu hinterfragen und zu kritisieren.
Mit dem Dualismus des rechtspopulistischen Weltbilds sei die „Grunddynamik“ benannt, die jeglicher demagogischen Strategie zugrunde liege, betonten Ötsch/Horaczek. Die drei zentralen Aussagen dieser Kernbotschaft lauten: „Die ANDEREN sind eine Gefahr für UNS. Wir müssen UNS vor den ANDEREN fürchten. Wir haben daher das Recht, UNS gegen die ANDEREN zu wehren.“ (S.21). Eine besondere Bedrohung gehe von „der Elite“ aus, da sie die „Macht-Truppe der ANDEREN“ darstelle.
Diese einfache Kernbotschaft, die auf der einen Seite ein erfundenes Volk in einer heilen Welt sehe, auf der anderen Seite ein dagegen verschworenes Establishment, biete die Grundlage für das entscheidende Mittel, mit dem die Rechtspopulisten arbeiten: fortwährend eine Stimmung von Bedrohung zu erzeugen und Angst in der Gesellschaft zu schüren.
Demagogische Mechanismen
Damit diese „Grunddynamik“ ihren eigenen Interessen dient, werde außerdem das eigene Image der rechtspopulistischen Gruppen sorgsam gepflegt und zu einem „SUPER-WIR“ überhöht. Diesem SUPER-WIR stehe es auch frei, sich seine Spielregeln selbst zu wählen. Seine Meinungsäusserungen, gleich in welcher Form sie vorgebracht werde, sind „SUPER-GUT“, andere sind „SUPER-BÖSE“. Die üblichen Umgangsformen gelten in diesem Zusammenhang nicht – US-Präsident Trump ist das beste Beispiel für die Richtigkeit dieser Analyse.
Auch die anderen Mechanismen der Demagogen, die Ötsch/Horaczek penibel aufzeigen, lassen sich derzeit auch anderswo auf der Welt beobachten: Blitzschnell in die Opferrolle wechseln, wenn man Kritik erfährt, Sündenböcke für alles und jedes erfinden, Einzelfälle verallgemeinern, um das eigene Weltbild zu untermauern, Statistiken und Analysen der Wissenschaft ignorieren, eigene Zahlen erfinden, Gegner unter der Gürtellinie persönlich angreifen und die eigene Agitation auf wenige Themen beschränken. 69 charakteristische Muster für das zu Anfang zitierte „eiskalte Kalkül“ der Rechtspopulisten arbeitet das Buch von Ötsch/Horaczek heraus.
Und wem es bisher noch nicht flau geworden ist beim Lesen dieser menschenfeindlichen Strategien, dem wird spätestens jetzt übel, wenn die Autoren als letztes Muster die „Vorbereitung des Mega-Hype“darstellen. „Mega-Hypes“ seien geeignet, „die Demagogen schlagartig nach oben zu spülen“, schreiben die Autoren und zeigen Beispiele auf, bei denen dies gelungen sei. Als größten erfolgreichen Mega-Hype des 20.Jahrhunderts nennen die Autoren den Reichstagsbrand am 27.2. 1933 auf, der die Nazis endgültig an die Macht gebracht habe.
Um die einfache Kernbotschaft des rechtspopulistischen Weltbilds immer wieder unter die Menschen zu bringen, wird jeder Anlass genutzt, diese in Angst und Schrecken versetzen, wozu sich derzeit besonders Terroranschläge eigenen. Terror passe perfekt in das Gesellschaftsbild der Rechtspopulisten, vor allem auch deswegen, weil man mit Terror „beliebig viele ANDERE in Verbinden bringen und sie so diskreditieren“ könne, betonten die Autoren. (S. 190)
Richtig spannend wird es auf den letzten 30 Seiten des Buches – hier wünscht man den Autoren Ötsch und Horaczek eine Einladung in einer der vielen TV-Talk-Formate, in denen derzeit über die Konsequenzen des politischen „Erdrutsches“ (auch das eine Emotionalisierung, sei nebenbei bemerkt) raisoniert wird. Denn eins, so die Autoren des Buches, sei gewiss: „Für jedes einzelne Muster der Demagogie gibt es eine Fülle wirksamer Gegenaktionen“. (S.193)
Gegenstrategien
Für das, was man auf keinen Fall tun sollte, sehen die Autoren reichlich Anschauungsmaterial in Österreich, wo es in 25 Jahren nicht gelungen sei, den Rechtspopulismus der FPÖ im Gefolge eines Jörg Haider nachhaltig einzudämmen. Als kapitale Fehler im Umgang sind von daher zu nennen: Demagogen zu unterschätzen, sie zu dämonisieren, Eliten unkritisch zu verteidigen und die Wähler der Rechtspopulisten zu verteufeln.
Wenn man argumentiere, dass man die Demokratie der „Guten“ gegen die bösen Rechtspopulisten verteidigen müsse, übernehme man letztlich deren demagogisches Schwarz-Weiß-Denken. Dies habe sich gerade im Wahlkampf von Hillary Clinton gezeigt, deren Strategie, Trump vor allem als unmoralische Person hinzustellen und sich selbst als ehrenhaft und vertrauensvoll zu präsentieren, nicht aufgegangen sei.
Menschen sind nicht nur gut und böse, betonen die Autoren. Sich selbst als nur gut und die anderen als nur böse darzustellen, sei „im Kern unehrlich und verrät einen Mangel an Selbsteinsicht, der eigentlich Demagogen auszeichnet“. (S.195) Im Schlechtreden von anderen seien außerdem die Demagogen Experten. Von den wirklichen Problemen werde so nur abgelenkt.
Die Existenz von Eliten könne dagegen empirisch nachgewiesen werden – im Gegensatz zu „der Elite“ der Rechtspopulisten. Sie zu kritisieren und ihr Versagen bei strukturellen Problemen des Wirtschaftssystems wie z.B. der wachsenden sozialen Ungleichheit sei „dringend angebracht“. Solange dies nicht mit glaubhaften Alternativen geschehe, werden Demagogen Zulauf haben.
Die Grundidee im Umgang mit Rechtspopulisten und anderen Demagogen besteht nach Auffassung der Autoren darin, ihnen auf einer anderen Ebene Paroli zu bieten. Auf aggressive Angriffe mit Ärger zu reagieren, empfehle sich nicht. Als Gegenmittel bieten die Autoren an, die Art der Kommunikation zu thematisieren und auf den Sachthemen zu beharren, wenn es den Rechtspopulisten nur um das Schüren von Ängsten gehe. Regelmäßig sollten Lösungen eingefordert werden.
Insgesamt müsse mehr von den Ängsten der Menschen gesprochen werden, würden von Seiten der Politik stets nur Jubelmeldungen verbreitet und Menschen, die Ängste thematisieren, verurteilt, betreibe man ebenfalls das Geschäft der Demagogen. Notwendig sei ein dauernder Diskurs über die in einer Gesellschaft herrschenden Ängste.
Zukunftsbilder
Konkret gibt das Buch darüber hinaus eine ganze Reihe von Argumentationshilfen, mit denen rechtspopulistischer Scharfmacherei begegnet werden kann. Am Ende steht dann die Bedeutung positiver Bilder und auch von echten Zukunftsvisionen, an denen es unserer Gesellschaft derzeit mangelt. Jede Gesellschaft besitze Zukunftsbilder, ob es ihr bewusst sei oder nicht. Wenn es hier nicht gelinge, attraktive Bilder über mögliche Zukunftsszenarien zu entwerfen, werde die Bedeutung der Demagogen weiter steigen, die ihre Zukunftsbilder aus der Vergangenheit holen.
Aus der Sicht von Ötsch/Horaczek liegt hier auch das große Versagen der demokratischen Parteien, die der heutigen Demagogie „jahrzehntelang den Boden bereitet haben“ durch den Verzicht auf kraftvolle Zukunftsbilder. So steht am Ende des Buches die Forderung nach „neuen Bildern einer bunten und freien Gesellschaft.“
Alle neuen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit haben sich aus Zukunfsbildern gespeist, betonten die Autoren. (S.224) Dass hier auch die Medien gefordert sind, ließe sich hinzufügen.
END/nna/ung
Literaturhinweis:
Ötsch, Walter/ Horaczek, Nina, Populismus für Anfänger – Anleitung zur Volksverführung, Westend Verlag Frankfurt, ISBN Nr. 978-3-86489-196-0
Bericht-Nr.: 171008-05DE Datum: 8. Oktober 2017
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