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Setzten private Kliniken Gewinnstreben vor Fürsorge?
WITTEN-HERDECKE (NNA) - Rangiert für private Kliniken die Gewinnerzielungsabsicht vor dem Wohl der Patienten? Mit dieser Problematik befasst sich ein Sammelband, den Prof. Matthias Kettner, Medizinethiker an der Universität Witten/Herdecke jetzt zusammen mit Kollegen herausgebracht hat. Seine These: Das Problem stellt eine weitere Belastungsprobe dar auf die professionelle Verantwortung, der die helfenden Berufe sowieso schon ausgesetzt sind.
Patienten sind durch ihre Notlage in Abhängigkeit von Pflegenden und Helfenden, die diese Situation nicht für eigene finanzielle oder andere Interessen ausnutzen. Im Gegensatz zu dieser ethischen Grundnorm steht die Notwendigkeit für private Krankenhäuser, eine Rendite erwirtschaften zu müssen. So bestehen verständliche Anreize, den finanziellen Gewinn in den Mittelpunkt zu stellen.
Private Krankenhausträger, die keinen Gemeinnützigkeits-Status haben, müssen renditeorientiert arbeiten und alle betriebswirtschaftlichen Instrumente in diesem Sinne nutzen. Dazu gehören auch Anreizsysteme, die die Handlungen und Entscheidungen von Ärzten und Pflegenden im Sinne der Unternehmensziele formen. Das ist dann ethisch problematisch, wenn diese Anreize im wesentlichen am Eigeninteresse ansetzen, denn hier geht es um die Gesundheit von Menschen, fasst Kettner seine Argumentation zusammen.
Für ihn gibt es derzeit keine eindeutigen Belege dafür, dass privatisierte Krankenhäuser tatsächlich bei gleich guter Krankenversorgung kostengünstiger arbeiten oder die Versorgung sogar verbessern würden, wie Befürworter der Klinikprivatisierung gerne behaupten. Das liege freilich auch an unzureichenden Daten und Messmethoden, außerdem lassen sich die Wirkung von Fallpauschalen (DRGs) schlecht aus der Wirkung von Privatisierung herausrechnen.
Für Kettner gibt es eine Fülle von Hinweisen, dass Pflegepersonal und Ärzteschaft beides, die Einführung der DRGs, die alle Krankenhäuser betrifft, ebenso wie Privatisierungsprozesse, die einen zunehmenden Teil der Krankenhäuser in Deutschland betrifft, als Bedrohung ihrer professionellen Identität erfahren.
DRGs sind „Diagnosis Related Groups“ (Diagnosebezogene Fallgruppen) und bezeichnen ein ökonomisch-medizinisches Klassifikationssystem für Leistungen an Patienten.
Ärzte und Pflegende müssen bei der Behandlung hinreichend unabhängig bleiben vom Gewinnstreben der privaten Träger, fordert der Medizinethiker. Das heiße nicht, dass alles medizinische Wünschbare allen zur Verfügung gestellt werden müsste. Aber es müsse institutionell gesichert sein, dass zwischen dem medizinisch Notwendigen und dem finanziellen Gewinninteresse auf transparente Weise abgewogen werde und der Patient nicht den Kürzeren zieht. Diese Transparenz ist für ihn derzeit nicht gegeben. Gesundheitspolitiker, die organisierte Ärzteschaft und die Repräsentanten der Pflege stehen in moralischer Mitverantwortung dafür, dass hier eine Veränderung stattfinden könne.
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Literaturhinweis: Heubel, Friedrich / Kettner, Matthias / Manzeschke, Arne (Hrsg). „Die Privatisierung von Krankenhäusern: Ethische Perspektiven“, ISBN: 978-3-531-17256-9
Bericht-Nr.: 110914-02DE Datum: 14. September 2011
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