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Rapsfelder – eine fragwürdige blühende Pracht

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By NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner

BERLIN (NNA) – Nur auf den ersten Blick kann man sich an den leuchtend gelben Rapsfeldern freuen, die auch in diesem Frühsommer vielerorts in Deutschland blühen. Bei näherem Hinsehen sind sie mehr als fragwürdig.

Ihre immer größere Ausdehnung auf den Anbauflächen in Deutschland geht auf die umstrittene Förderung der Biokraftstoffe der ersten Generation zurück und ihre blühende Pracht verdanken sie u.a. den Nikotinoiden, die für das Bienensterben verantwortlich gemacht werden.

Bei den Rapsfeldern handelt sich um Monokulturen, die mit einem hohen Wasserverbrauch und massivem Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln einhergehen. Überwiegend werden sie daher konventionell angebaut, der Rapsanteil im ökologischen Landbau spielt mit 0,3% der Anbauflächen nur eine verschwindend geringe Rolle. Da dort keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen, ist auch nicht mit einer Ausweitung zu rechnen.

Insgesamt hat sich die Anbaufläche von Raps nach Angaben des Bundesforschungsministeriums in den letzten 20 Jahren in Deutschland verdoppelt. In der weltweiten Statistik des sog. grünen Spritproduktion aus Mais und Raps liegt Deutschland weltweit hinter den USA und Brasilien an dritter stelle mit einer Tagesproduktion von 10.000 Kubikmetern. (Angaben aus dem Bodenatlas).

Pestizide, Insektizide und Fungizide

Dabei überwiegt in Deutschland der Winterraps. Auf nahezu der gesamten Anbaufläche werden Pestizide zur Unkrautvernichtung aufgebracht, üblich sind ein bis zwei Spritzgänge mit mindestens zwei bis drei Wirkstoffen kurz nach der Aussaat. Typische Rapsschädlinge sind im Herbst Rapserdfloh und Ackerschnecke, im Frühjahr der Rapsglanzkäfer und der Große Rapsstängelrüssler.

Bei starkem Frost, wenn die Stängel aufplatzen, ist zudem mit verstärktem Pilzbefall zu rechnen. Durch Pilze verursachte Krankheiten bei Raps sind etwa Wurzelhals- und Stängelfäule. So sind neben den Pestiziden auch noch Insektizide und Fungizide nötig, um den Ertrag der Rapsfelder zu gewährleisten.

Im Rapsanbau kommt nach Angaben des BUND auch flächendeckend das Pestizid Thiacloprid zum Einsatz, ein Neonikotinoid. Gerichtlich hat der BUND im März diesen Jahres durchgesetzt, dass dieses Bayer-Produkt als schädlich für die Bienen bezeichnet werden darf (Urteil des Düsseldorfer Landgerichts vom 15.3.2015). Der BUND fordert Bayer auf, sämtliche Produkte mit dem Wirkstoff Neonikotinoid vom Markt zu nehmen.

Bienenvölkersterben

Neonikotinoide sind Nervengifte und gelten mit als Auslöser für das weltweit zu beobachtende Bienenvölkersterben. In den Industrieländern sterben – wie auf der Homepage des BUND berichtet wird – zurzeit hunderttausende Bienen. Auch deutsche Imker beklagen in diesem Frühjahr besonders hohe Verluste bei ihren Bienenvölkern.

Inzwischen gibt es nach Angaben des BUND zahlreiche wissenschaftliche Belege dafür, dass Neonikotinoide äußerst schädlich für Bienen sind. Anfang April 2015 veröffentlichte ein wissenschaftliches Beratungsgremium von EU-Entscheidungsträgern (EASAC) eine Studie („Ökosystemdienstleistungen, Landwirtschaft und Neonikotinoide“), die eindeutige Beweise für subletale Effekte von Neonikotinoiden auf Bienen und andere sogenannte Nichtzielorganismen liefert, zu denen auch Hummeln, Wildbienen, Fledermäuse, Amphibien und Vögel gehören.

Die EASAC bezeichnet in ihrer neuen Studie den vorbeugenden Einsatz von Neonikotinoiden als unvereinbar mit den Prinzipien einer integrierten Schädlingsbekämpfung wie auch mit der EU-Pestizidrichtlinie.

Siegeszug

Der Siegeszug der Rapspflanze auf den Anbauflächen in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: Die Züchtung neuer Sorten, durch die Raps für die Lebensmittelindustrie interessant wurde sowie auf die energiepolitische Vision vom umweltfreundlichen Biosprit und die damit verbundene staatliche Förderung.

Rapsöl wurde zunächst überwiegend für technische Zwecke verwendet, da bestimmte Inhaltsstoffe es bitter schmecken ließen. Dies hat sich geändert durch neue Züchtungen, die sogenannten Doppel-Null-Sorten. Fast die gesamte Anbaufläche in Deutschland ist inzwischen mit diesen Sorten bebaut. Durch umfangreiche Marketingaktionen wurde Rapsöl in Deutschland zum Favorit der Konsumenten: Sein Marktanteil liegt derzeit bei 40%, vor Sonnenblumenöl mit rund 30% und Olivenöl mit 17,7%.

Seit der Jahrtausendwende wird Raps mit staatlicher Förderung angebaut und zu Biokraftstoffen verarbeitet. Um die Umweltverträglichkeit von Biokraftstoffen zu gewährleisten, hat die Bundesregierung eine Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung erlassen. Sie trat am 1. Januar 2011 in Kraft, danach muss die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und zur Stromerzeugung eingesetzten Pflanzenölen nachgewiesen werden, wenn eine Förderung in Anspruch genommen wird.

Biokraftstoffe werden nur dann als nachhaltig hergestellt anerkannt, wenn sie – unter Einbeziehung der gesamten Herstellungs- und Lieferkette – im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen in einem ersten Schritt mindestens ein Drittel (35 Prozent) an Treibhausgasen einsparen (ab 2017 dann 50 Prozent) und dafür keine schützenswerten Flächen umgebrochen oder abgeholzt wurden.

Soziale und ökologische Schäden

Das Umweltbundesamt stellt diese Berechnung infrage: Die Biokraftstoffe aus Plfanzenölen seien gegenüber der stationären energetischen Nutzung der Biomasse (feste Biomasse in Feuerungen und Biogas) „aus Klimaschutzsicht so ineffizient, dass die gegenwärtige Markteinführungsförderung für diese Kraftstoffe korrigiert werden sollte“, heißt es dazu auf der Homepage.

Auch die UN-Landwirtschaftsorganisation hat mit Blick auf die derzeit weltweit 800 Millionen hungernden Menschen empfohlen, alle staatlichen Anreize für Agrartreibstoffe zu beenden. Die Fördersysteme sollten grundlegend überarbeitet werden, um weitere soziale und ökologische Schäden zu vermeiden, heißt es auch im Bodenatlas der Heinrich-Böll-Stiftung dazu.

Das EU-Parlament hat als Reaktion auf die Kritik an der Förderung der Biokraftstoffe vor kurzem eine Reform seiner Biokraftstoff-Politik beschlossen, danach soll der Anteil der Kraftstoffe der ersten Generation auf 7% begrenzt werden, mindestens 0,5% sollen aus Kraftstoffen der zweiten oder dritten Generation kommen, die aus Algen oder Abfall gewonnen werden. Ein kompletter Verzicht auf die Biokraftstoffe wurde nach einer kontroversen Debatte abgelehnt. Umweltschützer werteten den Beschluss als Kapitulation vor der Biokraftstoff-Lobby.

Gentechnik

Immer wieder gerät Raps auch wegen der Freisetzung gentechnisch manipulierter Pflanzen ins Gerede, in Kanada wird gentechnisch veränderter Raps schon in großem Umfang angebaut.

Vor kurzem wurde vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Rapssorte zugelassen, die aus der Sicht der Umweltverbände als gentechnisch verändert angesehen werden muss. In einem Aufruf appellieren rund 30 Umwelt- und Landwirtschaftsverbände an den dem Amt übergeordneten Bundeslandwirtschaftsminister, diesen Bescheid unverzüglich aufzuheben.

Sie fordern, dass Pflanzen und Tiere, deren Erbanlagen mit so genannten „neuen Züchtungs-Techniken“ RTDS verändert wurden, in der EU einer systematischen Sicherheitsprüfung, Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen unterworfen werden. Nur so könne Freisetzung und Anbau dieser neuen gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland verhindert werden.

Auch hierzu gibt es bereits Unterschriftenaktionen im Internet.

Schlechter Geruch

Nicht zuletzt ist noch zu erwähnen, dass Spaziergänge zwischen den blühenden Rapsfeldern nicht besonders erquickend sind. Sie strömen einen süßlichen Geruch aus, der an ein totes Tier am Feldrand denken lässt.

Ob dieser auf die neuen, praktischen Doppelnullzüchtungen zurückgeht, ließ sich im Rahmen dieser Recherche nicht klären. Die Autorin kann sich aus früheren Jahren nicht an derartige Geruchsbelästigungen erinnern, wenn sie um blühende Rapsfelder herumgewandert ist.

END/nna/ung

Quellen:

Heinrich Böll Stiftung, Le monde diplomatique (Hrsg.) Bodenatlas – Daten und Fakten über Acker, Land und Erde, Berlin, 3. Auflage Mai 2015

www.biosicherheit.de/forschung/raps/278.unkraeuter-schaedlinge.html

biokraftstoffe.fnr.de/rahmenbedingungen/gesetzeslage/energiesteuergesetz/

www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/kraft-betriebsstoffe/alternative-kraftstoffe

www.bund.net/index.php?id=22181

www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Pflanze/Rapsoel-ist-Lieblingsoel-der-Deutschen_article1430377489.html

www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/28128.html

www.meine-landwirtschaft.de/aktuell/nachrichten/news/de/30625.html

www.testbiotech.org/node/1203

www.euractiv.de/sections/energie-und-umwelt/eu-umweltausschuss-stimmt-reform-der-biokraftstoff-politik-zu-313809 

Bericht-Nr.: 150616-04DE Datum: 16. Juni 2015

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Blühende Pracht – aber welche Gefahren stecken dahinter?<br>Foto: Cornelie Unger-Leistner