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Nicanor Perlas: Zivilgesellschaft hat erneuernde Kraft
Die Zivilgesellschaft hat im Gegensatz zu traditionellen Gesellschaften die Kraft neue Zukunftsbilder aufzuzeigen, so der Globalisierungskritiker Nicanor Perlas. Auch die anthroposophische Dreigliederungsbewegung erntet Kritik.
MÜNCHEN (NNA) – In der Zivilgesellschaft liegt die Kraft für kulturelle Erneuerung. Darauf weist der Träger des alternativen Nobelpreises und Globalisierungskritiker Nicanor Perlas in einem Interview für die Zeitschrift „Sozialimpulse“ hin.
„Unsere heutigen traditionellen Gesellschaften haben kaum noch lebendige Zukunftsbilder. Sie wiederholen sich und bauen auf immer denselben Paradigmen auf“, erläutert Perlas, der 2003 den Right Livelihood Award verliehen bekam und 2010 Präsidentschaftskandidat auf den Philippinen war.
Die Zivilgesellschaft sei demgegenüber in der Lage, neue Möglichkeiten aufzuzeigen und neue Initiativen in die Welt zu bringen, z.B. langfristig orientiertes Eigentum, bei dem Profite eines Unternehmens auch für das Wohl der Mitarbeiter und seines gesamten sozialen Umfelds bestimmt sind.
Im Gespräch mit Autor Alexander Schwedeler beschreibt Perlas drei Funktionen der Zivilgesellschaft: den Aspekt der Gegenkraft, die dazu dient, eine zerstörerische gesellschaftliche Praxis durch heftige Kritik zu stoppen, zum zweiten zeigt sie durch Aktionen Alternativen auf und nicht zuletzt ist es auch Aufgabe der Zivilgesellschaft, die anderen gesellschaftlichen Bereiche zu beteiligen, vor allem Regierungen und Geschäftswelt, um so „einer ganzheitlichen und nachhaltigeren Vision der Welt näher zu kommen“. Der dritte Punkt ist aus der Sicht von Perlas eine heutige Definition der sozialen Dreigliederung.
Hier spart Perlas auch nicht mit kritischen Worten gegenüber der anthroposophischen Dreigliederungsbewegung: „Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Dreigliederung unverzichtbar, aber kein Selbstzweck ist“. Sie sei vielmehr ein Weg, um die Gesellschaft zu einem besseren Ort zu machen. Gerate sie zum Selbstzweck, werde sie wenig Echo finden – gerade auch in der Zivilgesellschaft.
Ringen um Erneuerung
Perlas sieht derzeit in der Welt eine „große Offenheit für neue soziale Gestaltungen“. Im Interview nennt er auch Beispiele dafür, wo aus seiner Sicht Initiativen im Sinn der Dreigliederung wirken, ohne dass diese als solche bezeichnet wird. Ihr Kennzeichen sei die Geste, dass Vertreter aus verschiedenen Bereichen einschließlich der Zivilgesellschaft um Erneuerung ringen: „Die Leute erkennen immer mehr, wie komplex unsere Welt geworden ist und dass wir sie nur weiterentwickeln und erneuern können, wenn wir aus verschiedensten Perspektiven heraus agieren“.
Ein solches Denken sieht Perlas z.B. im Rainforest Konzept aus Sillicon Valey, das davon ausgeht, dass jede Innovation eine Art Ökosystem um sich herum braucht („rainforest“), um sich zu verwirklichen. Dies gelinge nur durch eine „Kultur der Kooperation“. Auch die Initiative „Collective Impact“, die an der Stanford University in den USA entwickelt worden sei, sieht Perlas in diese Kontext. Hier werden Probleme dadurch gelöst, dass alle betroffenen Personen und Sektoren zusammengebracht werden in einem moderierten Prozess, der eine gemeinsame Lösung ermöglicht.
Soziale Dreigliederung handelt aus der Sicht von Perlas „von verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven auf eine Sache“, um einen Prozess und einen gemeinsamen Weg. Er warnt auch davor, sie als „ein fertiges Produkt“ darzustellen oder die Kenntnis der Theorie darüber zur Vorbedingungen für gesellschaftliches Engagement zu machen. Die Mitwirkenden verstünden, dass die Probleme nur dann gelöst werden, wenn möglichst viele verschiedene Perspektiven und Expertisen dazu beitragen.
In vielen Initiativen werde so bereits „tri-sektoral“ gearbeitet, ohne dass der Begriff der Dreigliederung benutzt werde, erläutert Perlas in Hinblick auf von ihm initiierte Projekte auf den Philippinen. Es sei wichtig, dass die Zivilgesellschaft eine Anzahl von ganz praktischen Problemen und Projekten habe, an denen gearbeitet werde.
Stützende Organisationen
In diesem Zusammenhang hebt Perlas auch die Funktion von „stützenden Organisationen“ oder „Aktivatorteams“ hervor, die die verschiedenen Parteien an einen Tisch bringen und die Umsetzung des Projekts unterstützen. Ohne solch eine verbindende Moderatorenrolle fehle der Blick auf das Ganze. Die wichtige Rolle von solchen stützenden Organisationen werde derzeit leider von den traditionellen Spendern noch nicht richtig erkannt, in den USA seien aufgrund der Stanford-Initiative Ansätze zu einem Umdenken zu erkennen.
Die Rolle der stützenden Organisation vergleicht Perlas mit dem eines „selbstlosen Ich“. Man müsse einen sehr objektiven Blick auf die Dinge entwickeln. Zu dem Stil gehöre finanzielle Unabhängigkeit und auch ein vertieftes Verständnis für den anderen und seine Position. Gegenwärtig sei es die Zivilgesellschaft gewohnt, „die da draußen“ anzuklagen. „Unser Stil ist anders. Wir halten die Partner zusammen, auch wenn wir manchmal anderer Meinung sind“. Es gehe darum, das zu tun, was im Sinn des Ganzen das Richtige ist. „Das erfordert eine hohe innere Reife“, betont Perlas.
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Quelle:
www.sozialimpulse.de/zeitschrift.html
Bericht-Nr.: 160807-02DE Datum: 7. August 2016
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