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Mit Ritualen, Zielen und innerer Einkehr dem Lagerkoller entgegenwirken
Anselm Grün hat eine „Gebrauchsanweisung“ für Quarantänezeiten veröffentlicht. Als Mönch, mit Zusammenleben auf engstem Raum vertraut, wolle er einen Beitrag zum friedlichen Miteinander unter den derzeitigen Bedingungen leisten.
FREIBURG (NNA) – Anselm Grün, Benediktinerpater im Kloster Münsterschwarzach, ist ein Bestsellerautor zu Themen wie Spiritualität und Lebenskunst, seine Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt. In dieser Woche erscheint ganz aktuell von ihm eine „Gebrauchsanweisung“ für ein friedliches Zusammenleben in Zeiten der Quarantäne. (siehe Literaturhinweis unten)
Als Mönch kenne man sich aus mit Abgeschiedenheit, Stille und Zusammenleben auf engstem Raum, so der promovierte Theologe. Diese Erfahrung helfe zwar nicht gegen wirtschaftliche Probleme und könne auch keine Krankheiten heilen, leiste aber möglicherweise einen Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben unter den derzeitigen Bedingungen. Die gegenwärtige Krise, die Existenzen bedrohe und in den Alltag eingreife, wie man es bisher noch nicht erlebt habe, dürfe auf keinen Fall „bagatellisiert oder spirituell überhöht“ werden, betont Anselm Grün.
Rituale, das Formulieren von Zielen und die Besinnung auf die eigene Identität sind aus seiner Sicht wirksame Gegenmittel, die er im Einzelnen erläutert, um es zu Hause zusammen oder allein auszuhalten und den Lagerkoller nicht zu allzu dramatisch werden zu lassen.
„Geländer für die Seele“
Werde plötzlich die ganze Woche zu einem „formlosen Zeitbrei“, werde das Leben geschmacklos und schal. „Wir langweilen uns, haben keine Orientierung, fühlen uns noch mehr den Ereignissen draußen ausgeliefert“. Hier helfen aus seiner Sicht neue Rituale, die den Tag strukturieren, sie tragen zur Orientierung bei: „Den Tag in mehrere Phasen teilen, um ihn bewusst zu erleben“. Sport machen vor dem Frühstück, nach den Hausaufgaben oder vor dem Essen etwas spielen gemeinsam als Familie oder mit dem Partner. „Rituale können auch entschleunigen und dabei helfen, uns selbst und die Wirklichkeit bewusster und achtsamer wahrzunehmen.“ Rituale seien „Geländer für die Seele“, die man gerade jetzt dringend benötige.
Auch die Stimmung der Lustlosigkeit, die in der Quarantäne aufkommen kann, kenne man als Mönch als „Acedia,“erläutert Anselm Grün. Eine Art „Trägheit“, sie entstehe aus einer Geisteshaltung der „Unfähigkeit, im Augenblick zu sein“. Nur aktiv könne man gegen diese Trägheit ankommen. Hier gelte es, sich Ziele zu setzen. Ein Ziel, das realistisch sei und das man erreichen wolle, löse eine Dynamik aus, „die keinen Raum lässt für die Traurigkeit des Herzens – eine Dynamik, die die Trägheit des Herzens wegreißt und neue Wege öffnet“. Bei Alleinstehenden könne dies zum Beispiel der Online-Kurs sein, der beendet werde, Familien könnten sich gemeinsame Wochenziele setzen.
Wichtig sei auch der bewusste Umgang mit Nähe und Distanz im Zusammenleben. Ohne das richtige Verhältnis könne ein friedliches Zusammenleben nicht gelingen, es komme schnell zu Streit, Verletzungen und Isolation. Hier das richtige Maß zu finden, sei nicht einfach. Dringe ich in den Schutzraum des anderen ein, werde ich übergriffig. Lasse ich dagegen zu, dass der andere nur noch im „stillen Kämmerlein bleibt“, verpasse ich möglicherweise eine Chance, ihm zu helfen. Auch zu viel reden zerstöre die Balance von Nähe und Distanz, wer nicht still sei, könne den anderen nicht hören.
Freiraum schaffen
Grüns Büchlein handelt auch vom Umgang mit geplatzten Träumen durch die Kriser, dem Frust, der daraus entsteht und der Frage danach, was einem wirklich wichtig ist. „Die Frage, was uns definiert, ist eine grundlegende Frage nach Identität.“ Hier verweist der Autor auch auf die Notwendigkeit von Zeiten der inneren Einkehr, in denen man sich nicht den Nachrichten des Tages aussetzt und zur Ruhe kommt.
„Innerlich... besteht die Gefahr, von Katastrophenmeldung zu Katastrophenmeldung zu springen, die Atemlosigkeit der Krise zur eigenen Kurzatmigkeit werden zu lassen“. Hier helfe es, sich zum Beispiel jeden Tag zehn Minuten Zeit zu nehmen, um bewusst und langsam zu atmen. „Aber jeden Tag, das kann uns den langen Atem geben, den wir für Umbrüche und Krisen brauchen“.
Früher habe es in Häusern auch einen sogenannten Hergottswinkel gegeben mit einer Bibel, einem Rosenkranz, einer Kerze, Ikonen oder auch Heiligenbildern. Einen solchen Platz brauche auch der moderne Mensch, an den er sich zurückziehen könne, zum Gebet oder an dem er einfach bei sich sei. Dies könne auch ein „kleiner Hocker in der Ecke sein, eine Bank auf der Terrasse, vielleicht sogar auch nur ein sonniges Fenster im Treppenhaus“. Sich einen solchen Freiraum schaffen, sei für jede Form von menschlicher Gemeinschaft „essenziell wichtig“ – gerade in schwierigen Zeiten wie heute.
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Literaturhinweis:
Anselm Grün: Quarantäne! Eine Gebrauchsanweisung. So geling friedliches Zusammenleben. Herder Verlag Freiburg 2020. 96 Seiten – auch als E-Book.
Bericht-Nr.: 200331-01DE Datum: 31 März 2020
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