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Lakota-Waldorfschule: Hausaufgaben und Essen mit dem Schulbus
Viele der Bewohner im Lakota-Pine-Ridge-Reservat sind von COVID-19 besonders gefährdet und deshalb unter strengem Lockdown. Die Lakota-Waldorfschule setzt also neue Prioritäten und macht mit anderen Mitteln weiter.
Wie reagiert man im Pine-Ridge-Reservat in den USA und bei der ersten Waldorfschule für Indianer auf die Corona-Pandemie? Dies kann man im neuesten Newsletter der Lakota-Stiftung in Luzern/Schweiz lesen. Die Lakota-Waldorfschule befindet sich im US-Staat South Dakota im Pine-Ridge-Reservat. Sie wurde 1993 von einer Gruppe von Lakota-Eltern gegründet und bezieht Kultur und Sprache der Lakota-Indianer ein – im Gegensatz zu staatlichen oder kirchlichen Schulen in den USA. Die Lakota-Waldorfschule wird von der Lakota-Stiftung unterstützt.
Luzern (NNA) – Am 13. März wurden sämtliche Schulen in South Dakota geschlossen, da es im Staat South Dakota viele bestätigte Covid-19-Fälle gab, Tendenz immer noch steigend, heißt es im Newsletter. Trotzdem gehörte South Dakota zu den wenigen US-Staaten, die bis heute auf eine “Stay at Home Order“ verzichtet haben. Da das Reservat aber nicht dem Rechtsraum von South Dakota unterliegt, war für die Lakota-Waldorfschule die Frage, was der Oglala-Sioux-Stammesrat beschließen würde.
Am selben Abend beschloss dann der Stammesrat, dass alle Schulen im Reservat schließen müssten, also auch die Lakota-Waldorf-Schule. Die Stammesregierung unter dem Präsidenten Julian Bear Runner hat in vielen Belangen anders entschieden als der Gouverneur von South Dakota, viel strikter und vehementer, wird im Newsletter weiter berichtet. So wurde ein „Stay at home order“ für das ganze Reservat ausgerufen.
Das ist nachvollziehbar, denn im Reservat leben sehr viele Menschen, die einer Risikogruppe angehören. So weist die Bevölkerung einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Diabetikern und Personen mit Herzerkrankungen auf. Durch die schwierigen Lebensumstände ist auch das Immunsystem bei der Lakota-Bevölkerung im allgemeinen geschwächt, was sie sehr anfällig auf das Virus mache. Außerdem wohnen im Reservat viele Menschen eng zusammen in kleinen Wohnwagen oder Wohnräumen, viele ohne fließendes Wasser und ohne Elektrizität. So entstand die Befürchtung, dass sich das Coronavirus im Reservat sehr schnell verbreiten könnte.
Hinzu kommt, dass die medizinische Versorgung im Reservat große Mängel aufweist, wie die Lakota-Stiftung weiter berichtet. Im Reservat gibt es den IHS-Indian-Health-Service mit zwei Tageskliniken und einem kleinen Spital im Hauptort Pine Ridge. Es stünden zurzeit nur 140 Tests zur Verfügung, vier Betten auf der Isolationsstation und sechs Beatmungsgeräte – dies für 40.000 Reservatsbewohner. Zu dieser Minimalausrüstung komme auch noch Ärztemangel. Die medizinische Versorgung im Reservat sei von daher „in keiner Weise für eine eventuell bevorstehende Pandemie gerüstet“.
Lockdown
„Bis Anfang April war für uns das Coronavirus noch weit weg. Da sich unser Reservat so abgelegen befindet, dauerte es lange, bis das Virus auch uns erreichte. Bald wurde der erste Fall bestätigt, ein Einzelfall“, berichtet Waldorf-Schulgründerin Isabel Stadnick. Da aber viele Menschen im Reservat keinen Arzt aufsuchten, oder allenfalls viel zu spät, wird vermutet, dass sich mit großer Wahrscheinlichkeit viele nicht getestete an Covid-19 Erkrankte im Reservat befinden.
Nachdem der erste Corona-Fall im Reservat bekannt wurde, hat die Stammesregierung sofort einen zweiwöchigen Lockdown angeordnet. Das heißt, niemand darf das Haus verlassen, außer den sogenannten „essential workers“, zu welchen auch das Schulpersonal gehört. Die Reservatsgrenzen werden überwacht, jedes ein- und ausfahrende Auto wird angehalten. Als Reservatsbewohner darf man nur für lebenswichtige, dringende Angelegenheiten wie Lebensmitteleinkäufe die Grenze passieren. Personen, welche nicht im Reservat wohnen, wird der Zutritt verweigert, außer sie arbeiten im Gesundheitswesen, im Sozialwesen usw.
Im Reservat selbst dürfen nur jene Menschen das Haus verlassen, welche dringend notwendige Arbeiten zu erledigen haben. Dazu gehören Mitarbeitende von Schulen, die den Schulbetrieb aufrechterhalten, Aufgabenpakete vorbereiten, Lunch Pakete verschicken müssen usw. Diese müssen aber ein Gesuch an die Stammesregierung stellen, um einen Pass dafür zu bekommen.
Weitermachen
Wie hat nun die Lakota-Waldorfschule auf die Maßnahmen reagiert?
„Bevor die Schulen schließen mussten, haben wir bereits den Kindern beigebracht, wie sie ihre Hände extra gut waschen können und die Lehrer haben mit ihnen dieses Händewasch-Ritual jeden Tag mehrmals wiederholt“, heißt es im Newsletter.
Nachdem vom Stammesrat die Schulschließung beschlossen wurde, hat sich die Waldorfschule die folgenden Prioritäten gesetzt:
- Alle Empfehlungen des CDC (Center for Disease Control) werden befolgt, um die Verbreitung des Virus zu stoppen.
- Die Bildung muss für die Schüler*innen ohne Unterbrechung weitergehen. Die Lehrer bereiten wöchentlich ein Lernpaket mit Aufgaben vor, welche die Busfahrer den Kindern nach Hause bringen und wieder abholen. Außerdem werden Online-Stunden angeboten.
- Die Kinder bekommen außerdem täglich Mahlzeiten geliefert. Die Lunchpakete beinhalten Sandwiches mit Käse, Salat, manchmal auch mit ein wenig Aufschnitt, kombiniert mit etwas Gemüse wie Karotten, eine Orange oder einen Apfel. Einmal wöchentlich gibt es Burritos (eine gefüllte Tortilla).
Lehrer, Busfahrer und das Büropersonal der Schule sollten nicht entlassen werden, sondern weiterarbeiten können. Im Newsletter heißt es dazu: „Diese Zeit nutzen wir an der Lakota-Waldorf-Schule, um unsere Schulzimmer und Räume auf Vordermann zu bringen und alles gründlich zu putzen. Wir haben sehr viel Zeit im Garten verbracht und den Schulgarten und unser 27 Meter langes Gewächshaus mit den Setzlingen bepflanzt. Wir planen für die Zukunft und freuen uns auf den Spätsommer und den Herbst, wenn wir mit unseren Schülerinnen und Schüler eine große Ernte einbringen können“.
Dieses Jahr hat die Lakota-Waldorfschule ihren ersten 8.-Klasse-Abschluss. „Wir sind entschlossen, diese Feier unvergesslich zu gestalten. Wir wissen noch nicht wie, aber es ist ein Meilenstein in unserer Schulgeschichte und soll auch, ohne gesundheitliches Risiko einzugehen, so gefeiert werden“.
Waldorfpädagogik im Pine-Ridge-Reservat
Die Geschichte der Waldorfpädagogik im Pine-Ridge-Reservat begann 1989, als sich die Schweizerin Isabel Stadnick auf einer Reise entschloss, dort zu bleiben. Sie heiratete den Lakota Bob Stadnick, mit dem sie drei Kinder hat. In den acht Jahren bis zu seinem Tod engagierten sich beide für eine bessere Ausbildung der Lakota-Kinder und begannen mit dem Aufbau der Lakota-Waldorfschule.
1997 kehrte Isabel mit ihren Kindern in die Schweiz zurück, 2007 wurde dort die Lakota-Stiftung gegründet. 2008 kam die Familie ins Reservat zurück, Isabels Tochter Caroline Stadnick arbeitet inzwischen als Sonderpädagogin, und Fachlehrerin an der Schule, ihre Schwester Celestine Stadnick als Lehrerin.
Auch sie hat die Online-Kurse mit ihren Schülern ausprobiert. „Sioux Dawn, Mutter von Johnny, teilte uns nach seiner ersten Online-Zoom-Klasse mit, dass ihr Sohn sich sehr darüber gefreut hat, seine Lehrerin Celestine Stadnick wieder zu sehen“, wird im Newsletter berichtet.
END/nna/ung
Die Lakota Waldorf School kann hier oder auch über diese Seite (Englisch) mit einer Spende unterstützt werden.
Bericht-Nr.: 200623-02DE Datum: 23. Juni 2020
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