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Kunst als Nahrung für Geist und Seele
Die Gast-Stiftung engagiert sich mit Kunst für benachteiligte Kinder und Jugendliche in Georgien. Im Gespräch mit NNA erzählt Elisabeth Gast über ihre Arbeit. Auch das nächste Projekt mit Flüchtlingskindern steht schon an.
TBILISI/MÜNCHEN (NNA) – Wenn der Mensch keine Nahrung im seelisch-geistigen Bereich erhält, wird „der Boden bereitet für Inhumanität, Rohheit und Würdelosigkeit“. Diese Einsicht führte die Münchnerin Elisabeth Gast 2002 zur Gründung einer Stiftung, die Straßen- und Waisenkinder in Georgien durch Kunstprojekte unterstützt.
„Die Kunst heilt die Wunden, die der Verstand schlägt,“ heißt es bei Novalis. Und sie kann auch die Wunden heilen, die das Leben diesen Kindern zugefügt hat,“ betont Elisabeth Gast im Gespräch mit NNA. Alles begann mit einem Musikstudenten aus Georgien, für den eine Freundin eine Unterkunft suchte. Durch den jungen Mann erfuhr Elisabeth Gast einiges über die Lage in seinem Land und von den vielen Waisen und Straßenkindern, die keinerlei Perspektiven hatten.
Außerdem kamen nach ihm auch noch weitere hochbegabte Studenten aus dem osteuropäischen Land in ihr Haus: „Sie hatten oft richtig museale Instrumente dabei, also bestand auch hier Bedarf“. Elisabeth Gast entschloss sich, zu helfen. Aus ihrem Freundeskreis kam der Hinweis, dass eine Stiftung die richtige Basis dafür bilden würde und aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Kunsthändlerin und ihrem neuen Beruf als Sprachtherapeutin ergab sich die Kunst als Ansatzpunkt.
„Zuerst wurden wir belächelt, als wir in Georgien mit Kunstprojekten anfingen. Aber Fakt ist, dass wir dadurch in den mehr als zehn Jahren unserer Arbeit mit den Waisenkindern viele zur Berufstätigkeit geführt haben.“ Die Begegnung mit der Kunst hilft den Heranwachsenden dabei, Freude am Schaffen, Motivation für das eigene Leben sowie Selbstvertrauen und Selbstachtung zu entwickeln, heißt es dazu in einer Darstellung des Selbstverständnisses der Stiftung.
Auf ganz schnelle Ergebnisse darf man jedoch nicht hoffen: „Die Erfolge sieht man nicht nach vier Wochen, da braucht man schon eine längere Zeitspanne und etwas Geduld. Dann merkt man, wie die Wahrnehmung der Menschen sich verändert und eine ganz andere Stimmung entsteht durch das künstlerische Tun“, betont Elisabeth Gast.
Künsterlische Tätigkeiten
Während dieser Aufbauarbeit entstand ein Team aus georgischen Künstlern (Goga Djaparidze – Künstler und Kunsttherapeut, Akaki Inanishvili – Keramik, Valo Imerlishvili – Bildhauerei, Ekaterine Djaparidze – Filzkunst, Irakli Shermazanashvili – Musik), die inzwischen selbständig Projekte entwickeln, planen und durchführen.
Das Herzstück der Stiftung ist heute das Freie Kunstatelier in Tbilisi, das von Goga Djaparidze geleitet wird. Von hier aus werden alle Kunstaktionen und die künstlerischen Tätigkeiten in Waisen- und Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen und Schulen mit dem Team geplant und umgesetzt. Im „Haus der Kunst und der Liebe“ arbeiten Jugendliche und Erwachsene in Workshops mit Ton, Holz oder Farben.
Durch die Einrichtung einer eigenen Werkstatt ist jetzt auch das Filzen dazu gekommen, angeleitet von Ekaterine Djaparidze. Im letzten Herbst wurde das Atelier, zu dem auch eine kleine Bibliothek gehört, in der die Arbeiten auch ausgestellt werden können, um zwei Räume erweitert. Durch den Verkauf der kleinen Kunstwerke können neue Farben und Materialien finanziert werden.
Das Künstlerteam hat auch ein Projekt in der Dorfschule Bulachauri durchgeführt, bei dem nicht nur Filzprojekte entstanden sind, sondern auch der Schulhof mit einem gemeinsamen Kunstprojekt verschönt wurde. Durch die Arbeit werden einerseits handwerkliche Fähigkeiten geübt und andererseits auch bei den Jugendlichen Berufswünsche im Handwerk geweckt.
„Man muss sich das so vorstellen, dass es in Georgien überhaupt keine berufliche Ausbildung mehr gibt, die Berufsschulen waren nach dem Ende der Sowjetunion geschlossen worden, langsam wird das jetzt wieder aufgebaut.“ berichtet Elisabeth Gast. Auf diesen Prozess wirken die Projekte der Stiftung. Bei einigen Projekten beteiligen sich auch andere Stiftungen.
Ländliches Engagement
Immer wieder sind es gerade ländliche Gebiete, in denen sich die Gast-Stiftung engagiert, denn dort gibt es kaum Unterstützung für die Jugendarbeit. So kam aus der Bergregion Radscha jetzt der Hilferuf der Kunstpädagogen aus der Hauptstadt der Region, Oni, dass dort der Fortbestand der Kunstschule gefährdet ist.
Das Künstlerteam der Stiftung hatte in dem Ort schon neue Impulse in der Öffentlichkeit gesetzt durch die Erarbeitung von drei farbenfrohen Skulpturen. Auch im Kloster Niqosi ist ein Team der Stiftung aktiv. In einer Sonntagsschule werden verschiedene Fächer wie Schattentheater, Spinnen, Nähen, aber auch Fremdsprachen und künstlerische Fächer wie Malen und Plastizieren unterrichtet.
Wie Elisabeth Gast berichtet, hat die Arbeit der Künstlerteams auch Auswirkungen auf die Gemeinschaft des jeweiligen Ortes: „Die Bewohner sind dann ganz stolz auf, das, was entstanden ist, denn die Dorfbewohner werden ja oft so angesehen, dass sie nichts können.“ Im Dorf Sobisi ist z.B. ein Kunstprojekt mit Warte- und Begegnungsbänken entstanden. Es wurde von Jugendlichen der ortsansässigen Apfelsaft-Jugendgenossenschaft gestaltet.
Das Sobisi-Projekt hat eine Kunstlehrerin der staatlichen Schule in einem anderen Ort, Batumi, so begeistert, dass sie ihre Schulleitung für ein ähnliches Projekt gewinnen konnte. 12 SchülerInnen gestalteten mit dem Künstlerteam der Gast-Stiftung und Studenten der Kunstakademie eine Außenwand der Schule mit eigenen Motiven.
Kunst im Alltag
Die Liste der von der Stiftung geförderten Projekte ist lang, es gehören auch Konzerte in verschiedenen Einrichtungen für behinderte Kinder dazu und musikalische Arbeit in Behindertentagesstätten in Georgien. Dies ergab sich von Anfang an durch die Mitwirkung der georgischen Musikstudenten, die im Haus von Elisabeth Gast untergekommen waren.
Im Herbst 2013 begann die Gast-Stiftung außerdem in Georgien mit einer Fortbildung für Kunsttherapeuten, Heilpädagogen und anderen Pädagogen, die mit Kindern mit Behinderungen arbeiten. 2014 fand die Fortbildung unter Mitwirkung von Prof. Fritz Marburg zum zweiten Mal statt, eine jährliche Fortsetzung ist geplant. Die Stiftung ermöglicht außerdem Künstlern aus Georgien Fortbildungen in Deutschland oder auch Studienaufenthalte in anderen Ländern.
So kehrte der Musiker Irakli Shermazanashvili von einem Studienaufenthalt am International Summer Course des Orff-Instituts in Salzburg mit einem großen Koffer voller Orff-Instrumente und vielen neuen Ideen nach Tbilisi zurück. Außerdem vergibt die Stiftung Stipendien für Studierende.
Hinsichtlich der Zukunft ihrer Stiftung freut sich Elisabeth Gast darüber, dass das Künstlerteam in Georgien, das sich im Lauf der Jahre gebildet hat, die Arbeit vor Ort nun selbst in die Hand genommen hat. „Die Georgier sind ein hoch künstlerisches Volk, durch unsere Arbeit haben sie erlebt, wie die Kunst in den Alltag einziehen kann. Der Blick richtet sich auf die Schönheit und es entsteht wieder Hoffnung“.
Arbeit mit Flüchtlingskindern
Für Elisabeth Gast, die in Georgien so immer weniger gebraucht wird, sind in Deutschland jetzt die Flüchtlingskinder an der Reihe, für die sie sich zunehmend engagieren will.
Auch hier gilt dasselbe Motiv wie für die Arbeit der Gast-Stiftung in Georgien: „Das Wichtigste für mich besteht darin, dass wir hier in Deutschland etwas zurückschenken. Wir hatten das Glück, dass wir 70 Jahre in Frieden leben durften – davon können wir jetzt etwas zurückgeben an all diejenigen Kinder und Jugendlichen, die dieses Glück nicht hatten.“
END/ung/nna
Bericht-Nr.: 160517-04DE Datum: 17. Mai 2016
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