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Kühe mit Hörnern bald nur noch auf Demeter-Höfen
Kühe mit Hörnern sieht man immer weniger auch wegen den Verletzungen, die sich Tiere im Laufstall zufügen können. Demeter e.V. zeigt jedoch: Laufstallhaltung ist auch ohne Enthornung möglich.
DARMSTADT/HANNOVER (NNA) – Kühe mit Hörnern werden in absehbarer Zeit auf den meisten Bauernhöfen der Vergangenheit angehören. Darauf hat Ulrich Mück von der Demeter Beratung Bayern in einem Vortrag hingewiesen.
Nach der inzwischen weit verbreiteten physischen Enthornung steht jetzt die Zucht auf genetische Hornlosigkeit im Vordergrund in fast allen Milchviehrassen, aber stärker noch bei den Rassen der Fleischzucht, betonte Mück. Er hielt seinen Vortrag auf der 1. Bio-Fleischrindertagung in Fulda im Herbst 2016.
Die Demeter Beratung hatte das Thema auch zu einem Schwerpunkt im November 2016 auf der Messe Eurotier in Hannover gemacht und wollte damit zeigen, dass die Haltung von Kühen mit Hörnern in Laufställen möglich ist. Demeter-Berater Hans-Josef Kremer nannte auf der Messe auch Zahlen zum Thema: danach sind in der ökologischen Milchviehhaltung nur noch ca. 30% der Kühe horntragend, in der konventionellen Landwirtschaft gibt es nur noch in geringem Umfang Rinder mit Hörnern.
Nur auf den Demeter-Höfen dürfen noch alle Kühe Hörner tragen, denn einzig der Demeter-Verband untersagt in seinen Richtlinien die Enthornung und die genetische Hornloszucht komplett.
Das Prinzip des Ökolandbaus bedeutet aus der Sicht von Demeter, die Ställe und die Tierhaltung so weit wie möglich an die Tiere anzupassen und nicht umgekehrt. Mit der Enthornung und noch mehr mit der weitgehend irreversiblen Zucht hornloser Kühe werde diesem Prinzip widersprochen.
Bauern, die entgegen dieser allgemeinen Entwicklung noch horntragende Rinder halten, sollten im Ökolandbau besondere Unterstützung finden durch Forschung, Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, fordert Demeter-Experte Mück.
Enthornung
Durch den Bau von Milchviehlaufställen hat sich Enthornung seit den 70er Jahren verbreitet, da es vor allen in der Winterstallhaltung der beengten Laufställe vermehrt zu Verletzungen und Auseinandersetzungen gekommen ist. Erst Mitte der 90er Jahre wurden vereinzelt Forschungen zur Frage durchgeführt, wie Ställe beschaffen sein müssen, damit die Haltung horntragender Milchkühe möglich wird.
An der Universität Kassel gibt es dazu ein Forschungsprojekt an dem Demeter beteiligt ist und das vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau gefördert wird.
Hörner sind intensiv in den Stoffwechsel der Rinder einbezogen und als eigene Organe anzusehen, erläutert Ulrich Mück in seinem Vortrag. Nur bei Wiederkäuern treten Stirnbeinauswüchse (Horn oder Geweih) auf. Insofern seien im Tierreich die Fähigkeiten eines einzigartigen Verdauungssystems mit lebenslangen Wachstumsprozessen im Schädelbereich verbunden.
Der knöcherne Hornzapfen ist nach seinen Ausführungen durchlüftet und Teil der umfangreichen Stirnhöhlen der Rinder. Wird die Hornbildung unterbunden oder genetisch verändert, bleibt die Notwendigkeit des Knochenwachstums am Stirnbeinende bestehen. Bei hornlosen Rindern kommt es dadurch zu einer Aufwölbung des Schädels, der vor allem bei älteren Tieren deutlich zu sehen ist.
Hörner sind wichtig
Hörner sind außerdem intensiv durchblutet, sie dienen der Wärmeregulation der Tiere. Dies ist auch an der Größe der Hörner nachvollziehbar. Je heißer und trockener die Klimaregion und je dürftiger die Futtergrundlage, desto größer sind die Hörner. Für Weidetiere tragen Hörner insofern zu höherem Wohlbefinden im Sommer bei.
Hörner haben auch eine Bedeutung für das Sozialverhalten der Rinder in der Herde. Sie unterstützen die Wahrnehmung, Individualisierung und Kommunikation der Tiere untereinander, bewirken eine stabilere Rangordnung und weniger Auseinandersetzungen im Herdenverband.
Die Vor- und Kulturgeschichte des Menschen ist geprägt von seiner Beziehung zu horntragenden Rindern. Die Bedeutung der Hörner war unmittelbar mit der Bedeutung der Rinder für die Menschen verbunden: der horntragende Stier als Sternbild, die heiligen Kühe, Hörner als Attribut der Götter, das Füllhorn als Spender unerschöpflicher Fruchtbarkeit in Mythen und Legenden, heißt es dazu im Vortrag von Ulrich Mück.
Hörner sind bei Auseinandersetzungen eher Halteorgan als Waffe. Dennoch ist die Verletzungsanfälligkeit in horntragenden Herden erhöht. Von daher bringt die Haltung horntragender Rinder erhöhte Anforderungen an die Gestaltung der Ställe mit sich. Fress,- Lauf-, Liegebereich und Auslauf müssen ausreichend dimensioniert und klar gestaltet sein, wenn die notwendige Ausweichdistanz nicht gewährleistet ist, komme es zu sozialen Auseinandersetzungen zwischen den Rindern.
Besonders sensibel ist in dieser Hinsicht der Fressbereich. Hier sind hörnergeeignete Fressgitter wichtig, die gut zugänglich und ungehindert und schnell zu verlassen sein sollten Außerdem sollte im ganzen Stall Rundlauf möglich sein, Sackgassen, enge Stellen und Hindernisse sind zu vermeiden.
Sehr wertvoll ist aus der Sicht der Demeter-Experten ein permanent zugänglicher Laufhof als Ausweich- und Rückzugsort. Er fördert auch die Gesundheit der Tiere durch ganzjährigen Kontakt zum Aussenklima. Empfehlungen werden auch für die Gestaltung von Liegeboxen gegeben, in denen die Kühe geschützter liegen als auf einer freien Liegefläche.
Herdenmanagement
Das Herdenmanagement trägt jedoch sehr wesentlich dazu bei, dass es weniger zu Verletzungen zwischen den Tieren kommt, auch wenn der Stall selbst noch nicht optimal gestaltet ist, betont Kremer. So sollten bei Stallarbeiten feste Abläufe eingehalten werden, z.B. durch den gleichen Tagesablauf und gleiche Vorgehensweisen.
Weniger Eingliederungen neuer Tiere in die Herde sorge für ein stabileres Sozialgefüge. Ein in der Herde mitlaufender Stier könne ebenfalls beruhigend auf die Kühe wirken.
Es empfehle sich auch, den Charakter der Tiere bei der Zuchtauswahl zu berücksichtigen und Nachzuchttiere von gutmütigen Kühen und umgänglichen Stieren zu verwenden. Bei aggressiven Einzeltieren lasse sich die Verletzungsgefahr herabsetzen, indem die Hörner ein bis zwei Zentimeter gekürzt und rundgefeilt werden. Und nicht zuletzt trägt auch eine gute Mensch-Tier-Beziehung zum Frieden im Stall bei: dies bedeutet einen „ruhigen, sicheren und wohlwollenden Umgang mit den Kühen“.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 170202-01DE Datum: 2. Februar 2017
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