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Konflikt um Seenotrettung im Mittelmeer geht weiter
Die Mare Liberum und Sea-Watch 3 dürfen laut früherer gerichtlicher Verfügung gegen ihre Festlegung wieder im Einsatz sein. Sea-Watch 3 wurde jetzt jedoch nach erfolgreicher Rettungaktion in Italien „provisorisch beschlagnahmt“.
HAMBURG/BERLIN/LAMPEDUSA (NNA) – Das Rettungsschiff Sea-Watch 3 hat am Sonntag 47 weitere Menschen in Lampedusa in Italien an Land gesetzt. Gleichzeitig wurde jedoch das Schiff von den italienischen Behörden beschlagnahmt.
Die Flüchtlinge waren Teil einer 65-köpfigen Gruppe Schiffbrüchiger, die von Sea-Watch 3 am 15. Mai ca. 30 Seemeilen vor der libyschen Küste gerettet worden waren.
Wie die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch e.V. mitteilte, wurden zunächst 18 Personen, darunter Familien mit Kleinkindern, von der Sea-Watch 3 mit einem Schiff der Italienischen Küstenwache in internationalen Gewässern evakuiert und an Land gebracht.
Der psychologische Zustand der verbliebenen Geretteten verschlechterte sich jedoch in der Folge rapide. Kapitän und Crew konnten die Sicherheit der Menschen nicht mehr garantieren. Sie erklärten den Notstand und fuhren in Italiens Hoheitsgewässer ein.
Beschlagnahmung
Obwohl die Zusammenarbeit mit der italienischen Küstenwache und der Guardia di Finanza „gut und freundschaftlich verlief“, wurde die Sea-Watch 3 „provisorisch beschlagnahmt“. In Begleitung sei sie inzwischen auf dem Weg nach Licata auf Sizilien.
Der Italienische Innenminister Matteo Salvini will verhindern, dass Rettungsschiffe wie Sea-Watch 3 in italienischen Häfen anlaufen, um Flüchtlinge an Land zu bringen.
„Die Beschlagnahmung unseres Schiffes war ebenso vorhersehbar wie skandalös. Wir haben kein Gesetz gebrochen und erwarten deshalb keine weiteren rechtlichen Folgen. Aber die Sea-Watch 3 ist ein Rettungsschiff. Jeder Tag, den es im Hafen liegt, kann Menschenleben kosten,“ äußerte sich dazu Philipp Hahn, aktuell Missionsleiter der Sea-Watch 3.
Am Wochenende [vor der Rettung] habe sich wieder einmal gezeigt, was passiere, wenn man der EU und ihren Verbündeten das Mittelmeer überlasse, betonte Hahn: Während sich kein einziges Rettungsschiff im Einsatzgebiet befunden habe, hätten die Bootsabfahrten aus Libyen zugenommen. 70 Menschen seien ertrunken, 240 seien durch die Libysche Küstenwache zurückgebracht worden. “Wir sind zurück, um dieser Barbarei etwas entgegen zu setzen und europäische Werte zu verteidigen, statt sie nur auf Wahlplakaten zu beschwören“, betonte der Einsatzleiter der Sea-Watch 3.
Positives Gerichtsurteil
Die erneuete Aktion gegen das Rettungsschiff ereignete sich nachdem vor kurzem sowohl Sea-Watch 3 als auch das Beobachtungsschiffe Mare Liberum wieder in See stechen konnten, nachdem die Menschenrechtsorganisation Mare Liberum e.V. vor dem Verwaltungsgericht in Hamburg und Sea-Watch e. V. vor zwei Wochen in Den Haag die Festsetzung ihrer Schiffe durch die Behörden rückgängig gemacht hatten. Die Sea-Watch 3 betätigt sich im Such- und Rettungsgebiet vor der libyschen Küste, die Mare Liberum dokumentiert die Lage in der Ägais.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in seinem Beschluss vom 13. Mai dem Eilantrag von Mare Liberum e.V. vollständig stattgegeben. Das Schiff war von den Behörden festgesetzt worden aufgrund einer Weisung des Bundesverkehrsministeriums an die Berufsgenossenschaft Verkehr, zivile Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer mit Restriktionen zu belegen.
„Die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr müsste nach dieser Urteilsbegründung anerkennen, dass die Mare Liberum über gültige Zertifikate verfügt. Die Auffassung der BG Verkehr war zu offensichtlich vom politischen Willen geprägt, unsere Arbeit zu sabotieren. Das vom CSU-Politiker Andreas Scheuer geführte Verkehrsministerium hat keine Rechtsgrundlage, gemeinnützige Vereine an der zivilen Seenotrettung und Menschenrechtsbeobachtung zu hindern“, erklärte Mare Liberum-Sprecher, Hanno Bruchmann, nach der Entscheidung.
Rechtswidrige Verfügung
Wie üblich bei umgebauten und umgenutzten Schiffen dieser Art, ist die Mare Liberum als Sportboot registriert. In einer Festhalteverfügung vom 23. April bestritt die BG Verkehr den Freizeitzweck. Das Verwaltungsgericht urteilte in einer Eilentscheidung richtungweisend: „Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage dürfte sich die Festhalteverfügung der Antragsgegnerin als rechtswidrig erweisen“.
Die Crew der Mare Liberum bereitet das Auslaufen des Schiffes vor. Mare Liberum-Sprecher Hanno Bruchmann forderte das Bundesverkehrsministerium auf, den Erlass zurückzunehmen. „Solange staatliche Stellen ihre Aufgaben nicht erfüllen, muss die private Seenotrettung und Menschenrechtsbeobachtung unterstützt statt sabotiert werden“.
Seit der Festsetzung der Mare Librum seien in der Meerenge zwischen der Türkei und Griechenland mindestens sechs Personen während der Überfahrt ertrunken. Ein Flüchtlingsboot, das bereits in europäischen Gewässern war, sei „illegal zurück in die Türkei gedrängt“ worden. Ohne die Arbeit von Mare Librum drängen nur wenige Informationen an die Öffentlichkeitsarbeit, betont die Organisation.
Auf Anfrage antwortete die Bundesregierung kürzlich, sich „gegen pauschale Kriminalisierung und eine Behinderung der Tätigkeit privater Seenotretterinnen und Seenotretter“ zu wenden. Der Erlass des Verkehrsministeriums richte sich jedoch explizit gegen private Seenotrettungsschiffe auf dem Mittelmeer, betont Mare Liberum e.V.
Politische Absicht
Am 7. Mai hatte ein Gericht in Den Haag ebenfalls zugunsten der Seenotrettungsorganisation Sea-Watch e.V. entschieden, die Sea-Watch 3 konnte deswegen nach einer knapp einmonatigen Blockade wieder in Richtung Mittelmeer aufbrechen. Die Niederlande als Flaggenstaat hatten die Sea-Watch 3 festgesetzt mit dem Hinweis auf Sicherheitsmängel entsprechend neuen Vorschriften.
Das Gericht gab der NGO jetzt einen Aufschub bis Mitte August, um die geforderten Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Das niederländische Ministerium hatte diese Vorschriften neu erlassen. Die Sea-Watch 3 sei „das einzige Schiff gewesen, bei der die neuen Vorschriften ohne Übergangsfrist in Kraft traten“, betont die Organisation. Das Ministerium hätte zuvor eine solche Frist zugesagt, wie sie jetzt vom Gericht zugestanden worden sei. Die politishe Absicht dieser Regierungsentscheidung sei offensichtlich: die Blockade der Seenotrettung.
Europa lasse „zur Abschreckung Menschen ertrinken, die nur die Wahl zwischen Folter und Tod oder dem Mittelmeer haben“, betonte Philipp Hahn, Einsatzleiter der Sea-Watch 3. So lange in Libyen Krieg herrsche und Flüchtende dort in Lagern eingesperrt würden und unmenschliche Zustände über sich ergehen lassen müssen, werde es Flüchtlinge über as Mittelmeer geben.
Noch festgesetzt ist derzeit das Rettungsschiff Mare Jonio betrieben von der Sea-Watch Partnerorganisation Mediterranea. Es wurde am 10. Mai nach der Rettung und Anlandung von Flüchtenden in Italien beschlagnahmt. Die Mare Ionio fährt unter italienischer Flagge.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 190521-01DE Datum: 21. Mai 2019