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Grenzen überwinden durch Begegnung

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By NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner

Die interreligiöse Friedensübungswoche in Galiläa fand zum sechsten Mal statt. Eine besonderes Erlebnis, wie Cornelie Unger-Leistner im Gespräch mit der Organisatorin, Pfarrerin Ilse Wellershoff-Schuur, und Teilnehmern erfuhr.

Wie können Menschen verschiedenster Herkunft und unterschiedlichen Glaubens sich austauschen, mehr voneinander wissen und sich dadurch friedlich begegnen?An dieser zentralen Frage unserer Zeit arbeitet der Verein „Tor zur Welt“ (mit Sitz in Oldenburg), der deutsche Förderverein der Begegnungsstätte Sha'ar laAdam - Bab l'il Insan in Galiläa, wo seit 2009 interreligiöse Friedensübungswochen (FÜW) stattfinden. NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner hat mit der Organisatorin der Wochen, Pfarrerin Ilse Wellershoff-Schuur aus Überlingen, gesprochen und Teilnehmer der diesjährigen FÜW in Jerusalem getroffen.

JERUSALEM/ÜBERLINGEN (NNA) – Die Übungswochen gehen zurück auf die 80er Jahre, eine Zeit, in der die Themen Frieden und Abrüstung die Menschen in Europa stark bewegt haben. Der NATO-Doppelbeschluss und die stetig wachsende Aufrüstung diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs brachten Hunderttausende auf die Straße.

In der Christengemeinschaft entstand eine Initiative, die sich auch auf einem anderen, eher innerlichen Weg für den Weltfrieden einsetzen wollte, mit Gebetsarbeit, Selbst- und Welterkenntnis und auch praktischer Arbeit an konkreten Projekten. Seit 2009 finden auch in der Begegnungsstätte Sha'ar laAdam - Bab l'il Insan alle zwei Jahre eine solche Friedensübungswochen statt – eine Initiative von Laien in der Christengemeinschaft, die jedes Jahr ähnlich auch an mehreren anderen Orten organisiert wird.

Einer der Orte, an denen diese Übungswochen entstanden sind, ist das Oberlinhaus in den Vogesen. „Man hat dort die Nacht hindurch abwechselnd heilige Texte gelesen, es ging auch um die Wahrnehmung des Umfelds, das ist ja vergleichbar mit Galiläa, die Vogesen waren im 1.Weltkrieg Schauplatz großer Schlachten. Die Teilnehmer wollten das ewige Licht brennen lassen an einem solchen Ort“, erläutert Ilse Wellershoff-Schuur. Die Idee, die Friedensübungswoche auch ins Heilige Land zu exportieren, wurde auf einer FÜW in Estland kurz nach der Wende geboren. „Das waren jüdische Teilnehmer aus der ehemaligen Sowjetunion, die nach Israel emigriert waren und dort etwas aus dem Impuls der Friedensübungswochen einbringen wollten“.

Als Veranstaltungsort bot sich die Begegnungsstätte in Galiläa an. Schon 1998 wurde aus einem Impuls der Jugendlager im Kibbuz Harduf der Verein „Tor zur Welt“ in Deutschland gegründet, der eine Initiative vor Ort zwischen jüdischen und arabischen Menschen aufgreifen und sich an der Gründung einer Kulturbegegnungsstätte beteiligen wollte. Ein Grundstück bekam das Projekt dann 2002 in der Nähe des Kibbuz, wo eine ganze Reihe von anthroposophischen Einrichtungen angesiedelt sind, u.a. eine Waldorfschule, eine heilpädagogische Einrichtung und verschiedene künstlerische und sozialtherapeutische Initiativen. Die Gründer des Projektes kamen von dort und aus dem benachbarten Beduinendorf Sawa’ed El-Homeira. So ergab sich die Chance, gemeinsam daran zu arbeiten, die in Israel herrschende Trennung zwischen arabischen und jüdischen Gemeinschaften wenigstens an diesem Ort zu überwinden.

Herzstück Andachtshaus

Heute verfügt die Initiative über ein im Bau befindliches Andachtshaus, eine Freiluftbühne, verschiedene Wohngebäude und ein Zeltdorf, in dem meist Studenten der anthroposophischen Ausbildungsgänge wohnen. Gemeinsam feiert man die Feste der verschiedenen Kulturen, Seminare zu verschiedenen Themen werden veranstaltet, junge Leute aus der ganzen Welt finden sich zu Freiwilligendiensten ein und Kulturprojekte mit interreligiösem Charakter strahlen weit über den Ort hinaus. Einen großen Schritt nach vorne machte die Initiative durch die Veranstaltung von interkulturell und ökologisch ausgerichteten Freiwilligenprogrammen der Jewish Agency, die ihr auch den Bau der ersten Unterkünfte ermöglichte. Außerdem gibt es ein gemeinsames Orientierungssemester für arabische und jüdische Schulabgänger und auch europäische Freiwillige sind regelmäßig vor Ort.

Das Herzstück ist das Andachtshaus, an dem in den letzten Jahren auch im Rahmen von internationalen Bauhütten gearbeitet worden ist. „Man kann es schon nutzen, wir haben auch schon Weihehandlungen darin abgehalten, aber Fenster und Türen fehlen noch“, erläutert Ilse Wellershoff-Schuur. Bei ihrem letzten Aufenthalt in Galiläa fand ein Teil einer arabischen Hochzeitsfeier im Andachtshaus statt – mit arabischen, jüdischen und internationalen Gästen. „Es war ein wunderbares Fest mit Musik und Redebeiträgen, das vor 25 Jahren so nicht möglich gewesen wäre, eine ganz gemischte Gruppe traf sich: Menschen aus dem Kibbuz Harduf, Freiwillige aus aller Welt von heute und von früher, Bewohner der Beduinendörfer und der arabischen Städte in der Nachbarschaft“.

So wurde im Andachtshaus Wirklichkeit, was sich die Initiatoren von Anfang an gewünscht hatten: Menschsein zu erleben jenseits aller Gruppen- oder Religionszugehörigkeit. Gerade im Heiligen Land ist dies besonders wichtig, weil das Leben in den jeweiligen Ethnien dazu führt, dass es kaum Kontakt zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gibt.

Schubladendenken überwinden

Die Arbeit der Initiative kann aus der Sicht ihrer Gründer auch nach Europa zurückstrahlen: „Bei den Friedensübungswochen kann man an Hand der Vielfalt von Lebensstilen erleben, wie stark wir alle geprägt sind von familiärer Herkunft, von Tradition. Man kann seine eigenen kulturellen Vorurteile spüren. Dabei hilft uns dieses Schubladendenken heute ja nicht weiter, wir müssen die übergeordneten Aspekte, das allgemein Menschliche herausarbeiten“, betont Ilse Wellershoff-Schuur. Dafür sei die Anthroposophie eine gute Grundlage, die in diesem Kontext auch von Teilnehmern leicht angenommen werde, die vorher noch keine Berührung mit Rudolf Steiner hatten.

Das Wort „Friedensarbeit“ möchte die Pfarrerin, die in der Christengemeinschaft unter anderem für die Arbeit in Nahost zuständig ist, für die Initiative nicht gebrauchen, das sei eine Nummer zu groß und zu anspruchsvoll. „Was hier in Galiläa zwischen den Menschen gewachsen ist, ist entstanden durch treue Beziehungen zwischen einzelnen Menschen – nur so kann man Menschsein üben – und das spricht für echte Begegnung und gegen Patentrezepte.“ Der Nahe Osten mit seinen vielschichtigen Problemlagen und Verflechtungen zeige vor allem, dass es keine einfachen Lösungen geben könne in der heutigen Zeit. „Wie in einer Nussschale sind hier im Heiligen Land die Probleme versammelt, mit denen auch der Rest der Welt zu kämpfen hat. Daran lernen wir alle - vor allem Vielfalt und Komplexität auszuhalten“. Wie haben nun Teilnehmer der diesjährigen Übungswoche ihren Aufenthalt in Galiläa erlebt? Als Auftakt diente der Gruppe ein zweitägiger Aufenthalt in Jerusalem. Am Anfang stand ein Besuch im Stadtmuseum im David Tower, der Rundgang über die Via Dolorosa, durch das Kidrontal, zum Garten Gethsemane, zum Ölberg und auch zur Klagemauer vermittelte den Teilnehmern ein Bild von der Vielfalt und Komplexität von Jerusalem. Vom Jaffa-Tor brach die Gruppe dann in einem kleinen Bus auf nach Galiläa.

Religionen gemeinsam

Rianne ist Waldorflehrerin für Biologie in der Nähe von Utrecht/Niederlande. Sie nahm zum zweiten Mal an der Friedensübungswoche in Galiläa teil. Sie erinnert sich noch an 2017, als vom Andachtshaus in Sha'ar la Adam - Bab l'il Insan erst das Fundament fertiggestellt war. Junge Leute aus dem Kibbuz hatten eine Laubhütte darauf errichtet. „Wir haben die Weihehandlung jeden Morgen in dieser Laubhütte gefeiert, das war etwas ganz Besonderes“.

Auch am vorletzten Tag, als es stark zu regnen anfing, seien die Teilnehmer geblieben. Laubhütten gehören in Israel zum Sukkot-Fest, sie werden sogar auf Balkonen von Mietshäusern errichtet und die Menschen essen und feiern darin. So soll an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten erinnert werden, als die Menschen in provisorischen Behausungen wohnten. „Sie sind wirklich aus Laub, das heißt, nicht wasserdicht. Man soll die Sterne am Himmel sehen können“, erläutert Rianne. Für die Lehrerin ist das gemeinsame Feiern der Jahresfeste der drei Religionen ein Grund, warum sie immer wieder zur Friedensübungswoche kommt. Umso mehr freute sie sich in diesem Jahr über den Fortschritt beim Bau des Andachtshauses.

„Wir waren diesmal nur eine kleine Gruppe, aber eine kräftige! Wir haben uns über die Inhalte verständigt, die wir machen wollten. Wir haben auch die Nachtlesung probiert, aber da wir nicht so viele Menschen waren, konnten wir nicht die ganze Nacht durchlesen“.

Sprache des Herzens

Besuche in den Beduinendörfern erbrachten auch eine Einladung zu einer arabischen Familie mit Großmutter und noch drei Generationen Frauen nach ihr. Auch eine gemeinsame Diskussionsrunde in der Andachtsstätte, bei der der Sheikh eines Dorfes gesprochen habe, wirke immer noch nach. „Es wurde übersetzt, aber man merkte, wie sehr der Sheikh aus dem Herzen sprach“. Die Waldorflehrerin engagiert sich auch über die Friedensübungswoche hinaus für Israel, sie war schon mit ihrer Klasse dort. Jetzt will sie sich dafür einsetzen, dass in den Niederlanden auch ein Förderverein für das Projekt Sha'ar laAdam - Bab l'il Insan gegründet wird. Sie ist sich auch sicher, dass sie in zwei Jahren wieder dabei sein will: „Es ist die Begegnung zwischen den Menschen, von Herz zu Herz, die man mit nach Hause nimmt und die auch hier bei uns weiterwirken kann.“

Kajo, pensionierter Waldorfklassen- und Oberstufenlehrer vom Niederrhein, war zwar schon öfter in Israel, aber zum ersten Mal bei der Friedensübungswoche dabei. Er wurde aufmerksam durch das Buch von Ilse Wellershoff-Schuur „Am Kreuz der Erde“. „Das hat mich sehr angesprochen, ich habe es sogar zweimal gelesen und dann wollte ich unbedingt einmal dabei sein“, erläutert er. Der Aufenthalt in Galiläa sei dann noch viel beeindruckender gewesen, als man es aus dem Buch habe vorhersehen können: „Der Kibbuz, die ganzen Leute, dass es so viele Waldorfschulen in Israel gibt – das hat mich alles überrascht, obwohl ich ja schon oft in Israel war“.

Auch für Kajo waren die menschlichen Begegnungen das eindrücklichste Erlebnis der Friedensübungswochen, das Erleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus nächster Nähe z.B. beim Einweihungsfest des Andachtshauses: „Wie uns der Sheikh aus dem Nachbardorf erzählte, sprechen sie fünf Sprachen in seinem Dorf. Das sind doch Weltbürger…“ Erstaunt war Kajo auch darüber, wieviel Menschen, die er rund um den Kibbuz getroffen hat, sich schon mit dem Thema Anthroposophie befasst haben.

Besondere Erfahrungen

Neben den Gebeten, den Nachtlesungen und Diskussionsrunden gehören auch Ausflüge zum Programm der Friedensübungswochen. Diesmal stand die alte Hafenstadt Akko auf dem Programm, außerdem Tabgha am See Genezareth und auch der Berg Tabor. Kajo berichtet, dass auch diese Orte besondere Erfahrungen mit sich bringen: „Es ist interessant an diesen Plätzen draußen im Freien, wo nicht – wie in Jerusalem, alles überbaut ist. Es ist nicht nur die Natur, sondern auch der ganze geologische Untergrund, der spürbar wird.“ Besonders berührt habe ihn der Besuch Eremos-Grotte oberhalb von Tabgha, die der Überlieferung nach der Ort gewesen sein soll, an dem sich Jesus Christus zurückgezogen haben soll. Es sei viel gebetet worden an diesen biblischen Orten, man habe dort die entsprechenden Textstellen zusammen gelesen, aber: „Wir haben auch viel geschwiegen zusammen“. Ein Erlebnis, das dem Waldorflehrer in Akko in Erinnerung geblieben ist, war ein Musik- und Theaterfestival in der ganzen Altstadt: „Ohne einen Tropfen Alkohol – das war wirklich ein Kontrast zu unseren Festen hier in Deutschland“. Auch Kajo möchte zur nächsten Übungswoche wieder nach Galiläa fahren, falls es sein Gesundheitszustand zu lässt. Und am Ende berichtet er noch von seiner Unterkunft im Kibbuz, die zeigt, dass auch eine Portion Mut zur Teilnahme an der Übungswoche an diesem Ort gehört: da die anderen Zimmer schon belegt waren, hat Kajo den Schutzraum gegen Luftangriffe bewohnt. „Ich habe da gut geschlafen und mich absolut sicher gefühlt“, meint er.

END/nna/ung

Literaturhinweis:
Wellershoff-Schuur, Ilse: Am Kreuz der Erde: Ein Reisejournal aus dem Heiligen Land. Stuttgart 2017
Von derselben Autorin: Gott ist größer – Muslime und Christen – Herausforderungen des religiösen Lebens. Stuttgart 2017

Bericht-Nr.: 191217-02DE Datum: 17. Dezember 2019

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Auch in diesem Jahr setzten PfadfinderInnenverbände in ganz Europa und darüber hinaus mit dem „Friedenslicht aus Betlehem“ ein Zeichen für Frieden und Völkerverständigung. Von einem Kind in der Geburtsgrotte entzündet, wird das Licht im Flugzeug nach Wien gebracht und von dort aus weitergereicht in viele Länder der Welt. „Mut zum Frieden“ war das Motto der diesjährigen Friedenslichtaktion. Wer seine Kerze entzündet am Friedenslicht, reicht es weiter – an Freunde, Nachbarn oder auch in sozialen Einrichtungen. Wer es die ganze Weihnachtszeit über brennen lassen will, zündet sich eine Sturmlaterne damit an – ein gutes Bild für den Schutz des Lichts in Zeiten zerbrechlichen Friedens an vielen Orten in der Welt.<br>Foto: Cornelie Unger-Leistner
Das Andachtshaus bei Nacht: das Herzstück der Kulturbegegnungsstätte Sha'ar laAdam - Bab l'il Insan in Galiläa.<br>Foto: Ilse Wellershoff-Schuur