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Faust im Berghain Stil

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By Ronald Richter

Goethes Faust in einer ganz besonderen Interpretation bietet die Koproduktion der theaterBurg Rosslau und des Forum Theaters Stuttgart in der Inszenierung von Jobst Langhans vom Michael Tschechow Studio Berlin. Eine Voraufführung, die „Werkstatt Faust“, fand in Berlin anlässlich der Tagung „Wie wird der Geist wirksam“ statt. Ronald Richter hat sie sich angesehen.

BERLIN (NNA) – Jobst Langhans hatte im ersten Teil vor der Pause den Faust für einen Darsteller kurzfristig übernommen. Er las die Rolle mit Lesebrille auf der Nase aus dem Textbuch, was uns an jeder Identifikation mt dem Bühnengeschehen hinderte. Dies schien beabsichtigt. Denn plötzlich wurde das Spiel unterbrochen. Der Regisseur rief wie auf der Probe: „Arbeitslicht!“, was prompt geschah. Bertolt Brecht hätte so etwas Verfremdung genannt.

Man konnte sich nun fragen – dies bringt die Verfremdung mit sich – warum der Regisseur uns nicht ein paar Kostproben vom wirklichen Probenprozess lieferte – wie zum Beispiel in der Szene mit dem Famulus. Dann aber kam der Pudel ins Spiel, dargestellt von Sarah Kühl in Netzstrümpfen und Trenchcoat mit gedrehten blonden Zöpfchen, die an Gretchen ebenso wie an den Pudel denken ließen. Als Sarah Kühl auch noch in die Rolle des Mephisto schlüpfte, begann Theater und rundete sich zu einer gänzlich neuen Lesart des Faust, die unter die Haut ging, zu Theater, wie man es kaum noch auf den großen Bühnen erlebt. Werkstatt und Voraufführung waren vergessen.  

Man tauchte ein in diesen Faust, ließ sich vom anfangs noch spröde wirkenden Gretchen und dessen zu Herzen gehender Verzweiflung anstecken, hatte keinerlei Probleme damit, dass es noch einen anderen Faustdarsteller gab, Ismael Volk als jungen Faust, und irgendwann noch ein weiterer, ein männlicher, Mephisto auftauchte.

Im zweiten Teil wurde dann tatsächlich der Probenprozess Thema, nachdem wieder Arbeitslicht eingeschaltet worden war. Eine Diskussion zwischen Regisseur und seinen Schauspielern über den weiteren Gang der Inszenierung entbrannte. In deren Verlauf wurde von den jungen Darstellern das Berghain als Inszenierungsstil vorgeschlagen, dieser weltberühmte Berliner Club, indem es allnächtlich hoch her geht – euphemistisch formuliert.

Auch wenn die anwesenden älteren Anthroposophen das Berghain wohl kaum von innen kennen, hielten sie erstaunlich gut durch und ließen sich von manch drastischer Darstellung vor allem in der Hexenküche – und trotz später Stunde – nicht abschrecken. Zum Schluss brandete dann der verdiente Beifall auf für eine unglaubliche Aufführung in größter Einfachheit. Ein hochprofessionelles, oft noch sehr junges Ensemble hatte konzentriert-spielerischen Totaleinsatz gezeigt.

END/nna/ror

 Aufführungstermine:

1.-17. August 2013, Burgtheatersommer Rosslau, Burg Roßlau bei Dessau, www.theaterburg-rosslau.de

3. bis 13. Oktober und 31. Oktober bis 10. November 2013, Forum Theater, Forum3, Stuttgart, www.forum-theater.de

Bericht-Nr.: 130714-02DE Datum: 14. Juli 2013

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