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Erlebnisse des Gehens, Fühlens und Denkens – unterwegs auf dem neuen Barfußdenken-Pfad von Schloss Freudenberg
Barfuß denken – wie geht das? NNA-Korrespondentin Edith Willer-Kurtz hat es ausprobiert – auf dem neuen Barfuß-Pfad von Schloss Freudenberg in Wiesbaden.
WIESBADEN (NNA) – Dieser sehr warme Sommer in Deutschland lässt so manchen die Socken ausziehen, dabei kommt man schon auch auf die Idee, barfuss zu gehen – über Wiesen, im Sand oder auf anderem Untergrund. Oft spüren die Füße deutlich, worauf sie stehen.
In Schloss Freudenberg in Wiesbaden hat man darüber noch weiter gedacht, geplant und im großen Park einen “Barfußdenken-Pfad“ angelegt. Schloss Freudenberg, vor 22 Jahren gegründet von Beatrice und Matthias Schenk, ist vor allem bekannt für sein Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne und des Denkens nach Hugo Kükelhaus.
Ausgehend von dessen Forschungsergebnissen entstand auch der längere Barfußweg, auf dem jeder dem Gehen Aufmerksamkeit schenken soll. In der Schloss-Freudenberg-Terminologie heißt das „barfußdenken“. Zuerst aber parkt man die Schuhe im „Schuhstall“, der einem Hasenstall ähnelt. „Das Barfußdenken ist voraussetzungslos – egal, wie alt wir sind, woher wir kommen. Entscheidend ist, wohin wir gehen!“ heißt es einführend im Booklet des Schlosses zum Pfad.
Der Gang über Stock und Stein, durch Wald und Wiese: BarfußDenken wird als Selbstdenken beschrieben. Auf dem Barfußweg lasse sich erleben, „dass unser Denken nicht nur auf den Kopf beschränkt ist“. Feinsinnige Wahrnehmungen kommen auch aus dem Leib, heißt es. Die Spannung des Besuchers wächst.
Übungen in der Broschüre geben Anregungen zum intensiveren Fühlen: Ich stehe und widme meine Aufmerksamkeit meiner Haltung. Von Fuß bis Kopf spüre ich ihr nach. Dann heißt es: „barfuß ein paar Schritte im gewohnten Gang machen und die Ohren zuhalten. Das Hörbare beachten.“
„Danach gehe ich die gleiche Strecke im Ballengang, d.h. Auftreten mit dem Vorderfuß, halte mir wieder die Ohren zu. Anschließend vergleiche ich die „Musik“ der beiden Gangarten“. Erklärend ist zur Übung zu lesen: „Beim Fersengang verpassen wir der gesamten Knochenkette unseres Körpers einen Stoß. Beim Ballengang wird die Muskelkette der Körpers aktiviert. Das führt nicht nur zu einer Entlastung des Knochengerüsts, sondern auch dazu, dass die Blutzirkulation unterstützt wird. Sie wiederum reguliert die Temperatur in den Füßen“. Diese Übung lässt sich auch ohne Barfußpfad allerorten ausprobieren.
Erwachen der Sinne
Auf dem Pfad sind an diesem warmen Tag im August Kinder und Erwachsene unterwegs auf unterschiedlich langen aneinandergereihten Abschnitten. Vier bis sieben Meter lang sind diese Strecken, versehen mit jeweils anderem Untergrund.
Läuft man darüber, fangen die Füße an, Fragen durch den Körper zu schicken: „Was ist es, das die Füße da unten fühlen?“ Tannenzapfen z.B. sind weich und trotzdem unbequem. So werden die Sinne wach. Basaltkiesel, unpoliert und ca. 2 cm groß sind den Füßen unangenehm. Besser fühlen sie sich dann auf den Piniennadeln, da geht es sich weicher und es ist wärmer. Rinde fühlt sich wieder anders an. Ein Abschnitt hält eine schwarze Masse zum Einsinken bereit und die Barfußgänger müssen sich überwinden: „Ist der Schlamm eklig?“ Es kommt oft zum Gelächter an dieser Stelle. Weich umhüllend wird es nach der Überwindung, der Gang wird schwer im „Sumpf“. Anschließend haben die Füße „Socken“ aus dunklem Moor.
Weiter geht der Weg über unterschiedlich hohe Baumstümpfe bei zirka einem halben Meter Abstand, ansteigend bis fast einem Meter Höhe: Das ist schon ein Wagnis für manche, die nicht mehr die Beweglichkeit eines Kindes haben; es kann aber auch zeigen: Ich hab es gewagt und hab es geschafft! Weiter geht es über Abschnitte von aneinanderliegenden Bruchsteinplatten, großen abgerundeten Flusssteinen, die zwar rund sind und dennoch drücken können, industriell gefertigte glatte Platten, die wenig hergeben an Erfahrungen, schon besser ist da das bucklige Kopfsteinpflaster. Die Füße werden dabei so richtig wachsam, denn sie sind eben nicht eingesperrt im Schuhwerk.
Zusammenhänge des Gehens
Beim Gang über die Schrifttafeln des Barfußdenken-Pfades, die in den Boden eingearbeitet sind und deren eingravierte Schrift auch erspürt werden kann, bemerkt man, wie sehr unsere Sprache mit dem Gehen zu tun hat. „Wie geht’s ?“ fragt man oft, hier liest man vom Aufgang – Zugang – Fortschritt – Aufstand – Bestehen – Stillstand, vom Standpunkt, von Verstand und Abgang, um nur wenige zu nennen. Wer noch mehr Theorie dazu wissen will, wird in der Informationsbroschüre, dem 2.Band der Freudenberger Hefte zu „barfuß denken“ fündig, wo z.B. in einem Zitat von Rudolf Steiner der Zusammenhang zwischen Gehen, Wollen und Denken erläutert wird:
„Das Schreiten ist im Grunde ein Ausfluss eines Willensimpulses... Man muss sich bewusst sein, dass in diesen drei Phasen eine ganze Gestaltung zur Darstellung kommen kann... Wenn wir zunächst das Heben des Fußes nehmen, so deutet das klar hin auf den Willensimpuls, der in der Handlung des Schreitens liegt; wenn wir dagegen auf dasjenige schauen, was das Tragen ist, dann haben wir es mit dem Gedanken zu tun, der jeder Willenshandlung zugrunde liegt“.
Der weitere Weg führt dann über den Wurzelgang zum Summstein, zur Windharfe, dem Labyrinth, der Sonnenuhr, dem Kieselorchester, dann einem Orchester, wenn da gleichzeitig mehrere Menschen Kieselsteinklänge erzeugen. Beim Holzklang-Gebilde werden den unterschiedlich langen, hängenden Holzstücken Tonschwingungen entlockt.
Nicht alles kann erzählt werden, schließlich ist der Barfußweg zwar ein reicher Erfahrungsweg, aber insgesamt macht er nur einen Bruchteil der möglichen Erfahrungsfelder im und um Schloss Freudenberg aus. Hört man von Weitem die Geräuschkulisse der Kinder, die auf den Wegen unterwegs sind, so ähneln sie der eines Freibades, nur ist noch mehr Sprache und Lachen dabei.
Bleibendes Erlebnis
Zur Ankunft nach dem Erlebnis des barfuß Gehens und Denkens ist auf der Rückseite des Schuhstalls der Fußwaschplatz angelegt für die Endreinigung der Füße. So kann man zwar die Spuren des Barfuß-Pfades abwaschen – die Erlebnisse, die man dabei gemacht hat und die Gedanken von unterwegs nimmt man mit nach Hause.
End/nna/wil
Bericht-Nr.: 150830-02DE Datum: 30. August 2015
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