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Erfolg des Rechtspopulismus durch Versagen der Parteien

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By NNA Mitarbeiter

Rechtspopulistische Parteien breiten sich in Europa aus und gefährden demokratische Gesellschaften. Ihren polarisierenden Argumenten muss auf der richtigen Weise begegnet werden argumentiert Prof. Walter Ötsch.

BERNKASTEL-KUES (NNA) – Die zunehmende Verbreitung von rechtspopulistischen Positionen in Europa gefährdet die demokratischen Gesellschaften und fordert den etablierten Parteien erhebliche Lernprozesse ab. Diese These vertrat Prof. Dr. Walter O. Ötsch in einem Referat zum Thema Rechtspopulismus an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues.

„Aufregung und Ärger sind ganz fehl am Platz, sie dienen nur dazu, die Eskalationsspirale weiter anzuheizen“, betonte der Wissenschaftler, der im Jahr 2000 mit seinem Bestseller „Haider light“ eine Analyse der Politik des österreichischen FPÖ-Chefs Jörg Haider vorgelegt hat.

Die damals herausgearbeiteten Muster rechtspopulistischer Argumentation sind für Prof. Ötsch auch heute noch aktuell: „Die Themen und die Köpfe haben sich geändert, aber Sprache und Weltbild nicht“, betonte Ötsch. Er sei selbst überrascht gewesen, wie zutreffend seine Analyse auch heute noch sei, als er sie angesichts der Wahlerfolge der Rechtspopulisten in der letzten Zeit wieder zur Hand genommen habe.

Zwar gebe es in der Entstehungsgeschichte und im Entwicklungsstand Unterschiede zwischen der FPÖ und ihrem deutschen Pendant, der AfD, aber die Argumentationsmuster und das hinter ihnen stehende Weltbild seien ähnlich.

Rechtspopulistische Landschaft

Vor Studierenden der Cusanus Hochschule und anderen Interessierten analysierte Prof. Ötsch die „innere Landschaft“, die Denken und Argumentation der Rechtspopulisten zugrunde liegt. Am Anfang stehe die Unterscheidung von zwei gesellschaftlichen Gruppen, die man als „die Wir“ und „die Anderen“ zusammenfassen kann.

Die fiktive „Wir“-Gruppe werde dann z.B. mit dem Prädikat „das Volk“ belegt, während die andere Gruppe eine Zuschreibung „wie von einem anderen Stern“ erhalte, was bis hin zur Aberkennung des Menschseins gehe. „Auf die kann dann auch geschossen werden“, betonte Ötsch unter Bezugnahme auf die Äußerungen von AfD-Chefin Petry in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise.

Als „Kernbotschaften“ rechtspopulistischer Argumentation arbeitete Ötsch dann die Bedrohung des „Wir“ durch die andere Gruppe heraus, aus der dadurch erzeugten – oder auch real vorhandenen – Angst werde rhetorisch die „Wut“. „Die Frage ist, wie man mit dieser Wut umgeht“, meinte Prof. Ötsch dazu, da den aufgeladenen Gefühlen eine reale Unzufriedenheit zugrunde liegen könne.

Hier sieht Ötsch ein Versagen der etablierten Parteien, das den Erfolgen der Rechtspopulisten in ganz Europa Vorschub geleistet hat: „Wenn Probleme von der Politik nicht gesehen oder nicht angesprochen werden, dann sprechen eben andere sie an.“ Bei Vorträgen vor Politikern mache er immer wieder die Erfahrung, dass sie den „Blick von unten“ offensichtlich verlernt haben.

Nur dadurch, dass die Politik zu erkennen gebe „Ich verstehe dein Problem“ werde die betreffende Person in ihrer Würde bestätigt. „Ich frage dann immer: Können Sie unsere Gesellschaft auch von den Armen oder von Personen mit schlechten Zukunftsaussichten her anschauen, verstehen Sie diese Wut?“

Von Seiten der Rechtspopulisten werde dann das betreffende Sachthema mit einer Gefühlsaussage belegt, das die Aufspaltung in „das Volk“ und die ihm nicht gewogene „Elite“ bekräftigt und den gesellschaftlichen Diskurs kräftig anheizt: „Sie wollen, dass die Leute toben“.

Erregungsniveau

Emotionale Inszenierungen gehörten zu dieser Strategie genauso wie die permanente Mobilisierung der Anhängerschaft: „Das Erregungsniveau muss gehalten werden“. Als gutes Beispiel diene Haider, den man als „Gefühlsmanager der Nation“ habe bezeichnen können. „Er schaffte es, dauernd eine neue Kuh durchs mediale Dorf zu treiben und auch noch gekonnt auf ihr zu reiten“, beschrieb Ötsch die Wirkung des 2008 tödlich verunglückten FPÖ-Politikers.

Weitere Argumentationsmuster der Rechtspopulisten bilden die Reduktion komplexer gesellschaftlicher Zusammenhänge auf einfache Begründungen und die Benennung von Sündenböcken.

„Da werden keine Strukturen analysiert, es werden keine Gründe dargelegt, durch die Reduktion ist die Welt dann wieder heil“, beschrieb Prof. Ötsch die sozialpsychologische Wirksamkeit der rechtspopulistischen Argumente. Auch Verschwörungstheorien gehörten zu ihrem rhetorischen Arsenal. Die scheinbare Klarheit schaffe eine psychische Entlastung angesichts einer undurchschaubaren und komplexen Wirklichkeit.

Ist die allgemeine Bedrohung erst einmal im gesellschaftlichen Diskurs etabliert, böten sich die rechtspopulistischen Politiker als Retter aus der Not dar. Die Gefahren, die der Demokratie durch die zunehmenden Wahlerfolge der Rechtspopulisten drohen, liegen aus der Sicht Ötschs vor allem in ihrer die Gesellschaft spaltenden Denkweise, die die Legitimität demokratischer Entscheidungen insgesamt infrage stellt.

„Im Umgang mit diesen Argumenten muss man immer wieder diese Muster thematisieren, also auf die Ebene der Metakommunikation gehen“, betonte Ötsch. Durch die verwendete Hasssprache und das Schüren von Angst werde auch die Fähigkeit der Gesellschaft zu Mitgefühl und Empathie herabgesetzt.

In einem bedrückenden Schaubild dokumentierte Prof. Ötsch die Ausbreitung der rechtspopulistischen Parteien in Europa, von UKIP in Großbritannien, über den Front National in Frankreich, die SVP in der Schweiz, SD in Schweden, PVV in den Niederlanden, der FPÖ in Österreich und der AfD in Deutschland. In Polen, Ungarn und Finnland seien sie mit Pis, Fidesz und den Basisfinnen bereits an Regierungen beteiligt.

Gegenstrategien

Auf die Frage, ob er mit einem Erfolg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA rechne, meinte Prof. Ötsch, auch hier gebe es ein „Narrativ gegen die Elite“ zu der Hilary Clinton gezählt werde, während Trump und Bernie Sanders die Menschen bewegten. „Ich hoffe, dass ich mich irre, wir werden sehen, wie die Stimmung im November ist“.

Gegenstrategien sieht Prof. Ötsch auch in der Verbreitung positiver Zukunftsbilder. „Wir brauchen politische Mechanismen, durch die das Gute in den Menschen geweckt wird“. Es gebe viel Potenzial, wie gerade auch die Präsidentschaftswahlen in Österreich mit dem knappen Sieg des grünen Kandidaten van der Bellen gezeigt hätten. „Was macht die Zivilgesellschaft, wo sind die wachen Leute?“ sei die Frage.

Die aufgezeigte Gefährdung müsse sich nicht realisieren, aber sie sei durchaus möglich.

END/nna/ung

Literaturhinweis:
Walter O. Ötsch, Haider Light. Handbuch für Demagogie, Czernin Wien, 2000, zur Zeit vergriffen.
Ötsch plant ein ähnliches Buch für die AfD.

Bericht-Nr.: 160623-05DE Datum: 23. Juni 2016

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Die Gefahren, die der Demokratie durch die zunehmenden Wahlerfolge der Rechtspopulisten drohen, liegen aus der Sicht von Prof. Ötsch vor allem in ihrer die Gesellschaft spaltenden Denkweise.<br>Foto: Barbara Lechner / Shutterstock.com