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Ein anderes Wirtschaften ist möglich

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By NNA Mitarbeiter

TORONTO (NNA) - Was bedeutet es, wenn wir heutzutage über Finanzen sprechen? In welcher Welt leben wir, wenn die Märkte 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche ohne Pause in Aktion sind? „Schwelle“ wird in Websters Dictionary definiert als eine Grenze des Eintritts oder des Anfangs, als ein Punkt zwischen dem, was ist und dem, was nicht ist oder auch nicht sein wird.     

Der Philosoph und Gründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, ist weitgehend unbekannt als Ökonom. Er hatte viel zu sagen in Zusammenhang mit der Volkswirtschaft zur Realität einer Schwelle, jenseits der materialistische Konzepte einfach undurchführbar werden. Macht es Sinn, eine solche Schwelle im Wirtschaftsleben unserer Zeit anzuerkennen? Und missachten wir einige seines Beobachtungen auf unser eigenes Risiko hin, wenn wir zum Beispiel Land, Arbeit und Kapital im Wirtschaftskreislauf behandeln, als wären sie Rohstoffe und damit die natürlichen Grenzen der Wirtschaft missachten? Und wenn dem so wäre, was würde Abhilfe schaffen, wenn die Menschheit das wollte?

Durchleben wir gerade solche unsicheren finanzielle Zeiten, gerade weil die modernen wirtschaftlichen Bedingungen sich verändern und weil diese Veränderungen größere Abschreibungen zugunsten des Bilanzpostens von Erziehung und Bildung erfordern? Nach der Philosophie des neoliberalen Denkens wäre das unsinnig.

Ist die Welt bereit, Rudolf Steiner ernst zu nehmen und seine wirtschaftlichen Analysen anzuerkennen als nächsten Schritt zu einer zeitgemäßen Wirtschaft? Können die Grundpfeiler seines Konzepts der Menschheit den Boden geben, den sie braucht, um den Aufbruch in eine neue wirtschaftliche Zukunft zu wagen?

Es waren grundsätzliche Gedanken wie diese, die kürzlich eine Gruppe von 27 Menschen in Toronto zu der Veranstaltung „Finanzwelt an der Schwelle: Chancen für assoziatives Wirtschaften in unserer Zeit“ zusammenkommen ließ. Die Konferenz war von Mitgliedern der Wirtschaftskonferenz zusammengerufen worden, eine Gruppe weltweiter Mitglieder, deren Ziel es ist, zeitgemäße Wirtschaftsziele zu finden, indem sie Rudolf Steiners Ideen heranziehen.

Am Tagungswochenende gab es sowohl einen Sturz am Aktienmarkt als auch ein seltenes Erdbeben an der Ostküste der USA. Man könnte fast meinen, dass diese inneren und äußeren Ereignisse zusammengehören. Tagungsteilnehmerin Mary Adams, eine Astronomielehrerin, bestätigte, dass sogar die Planetenstellung zeige, dass etwas Besonderes in der Luft liege. 

Wir wurden von Christopher Houghton Budd, einem Wirtschaftshistoriker und Bankexperten ins Thema eingeführt. Er verband Steiner als „den anderen Österreicher“ mit der österreichischen Wirtschaftsschule, grenzte ihn vom Sozialismus ab und setzte sich dann mit dem Rationalismus der österreichischen Schule auseinander.

Obwohl Steiner und die Österreicher gemeinsame Aussagen teilen (z.B. der einzelne Mensch ist unfähig, die Wirtschaft allein zu begreifen), unterscheiden sich ihre Schlussfolgerungen aufgrund ihrer Ansätze, wirtschaftliche Phänomene zu beobachten. Während die Österreicher von einer „Weisheit des Marktes“ ausgehen, widerlegt Steiner das dualistische Denken der Zeit. Zum Beispiel macht er geltend, dass die Menschen tatsächlich in drei unabhängigen Größen denken und deswegen durch Assoziation mit ihren Mitmenschen gemeinschaftlich das nötige Wissen entwickeln können, um die Wirtschaft zu verstehen.

Moderne Dreigliederungskonzepte, wie das der globalen wirtschaftlichen Bausteine (Welthandel, Finanzmärkte und Zentralbanken) oder des innerstaatlichen Wirtschaftens (Tauschmittel, Wertaufbewahrung und Rechnungseinheiten) lassen sich ohne weiteres verstehen, wenn sie im Licht dessen betrachtet werden, was Steiner über die drei Arten des Geldes sagt.

Gleich zu Beginn der Konferenz führte die Annahme eines sich wandelnden Wirtschaftslebens zu bestimmten Grundgedanken, die es den Teilnehmer in einen ideenreichen Prozess ermöglichten, weit über die gegenwärtige Dualität des wirtschaftlichen Lebens hinaus zu denken. Gemeint ist Folgendes: Non-Profit-Organisationen erweisen sich als überflüssig, das Rechnungswesen wird zur Weltwährung und damit verschwinden auch Zentralbanken oder andere allgemeine Kontrolleinrichtungen.

Nicht die Banken vergeben Kredit, sondern Kreativität, die finanzielle Mittel sucht, bewirkt ihn. Geld wird vergeben, weil jemand die Waren eines anderen braucht. Im Austausch beider Parteien erzielen beide einen Überschuss. So wird deutlich, dass hier zum Nutzen menschlicher Wesen gehandelt worden ist. Die Struktur des Rechnungswesens erwartet ein Plus. Die doppelte Buchführung ist ein Werkzeug, das die Menschen vor der Versuchung schützt, in Gegenwart des Geldes unaufrichtig zu sein. So macht sie beide Seiten des Vorgangs sichtbar.

Der Raum begann zu erbeben, als wir gerade überlegten, ob es in der konventionellen Wirtschaftswelt denkbar wäre, Kontrolleinrichtungen abzuschaffen und nur das Rechnungswesen als währungsregulierende Instanz zuzulassen. Was wäre dann aber mit fließenden oder festen Wechselkursen? Es ist klar, dass Nationen nie innerstaatliche Kontrolle ausüben können, solange die Veränderung der Währungskurse die internationale Stabilität zerstören kann. Also wie erreichen wir Keynes „entscheidenden Punkt“ wodurch alle Volkswirtschaften Erfolg haben können? Ist es nur ein selbstloses utopisches Konzept oder macht es einfach wirklich Sinn in Hinblick auf gutes Wirtschaften?

Keynes Internationale Clearing Union hatte 1944 auf der Bretton Woods Konferenz einen Plan vorgestellt, der Rudolf Steiners Konzepte bestätigte, nach dem der Welthandel durch eine gemeinsame Währung, den Bancor, in Gang gehalten würde, die keinem Land alleine gehört. Handel unterhalb oder über einer solchen Schwelle wurde als destabilisierend angesehen und bestraft.

Seine Ideen wurden von der USA nicht akzeptiert mit der Konsequenz, dass die neue Weltliquiditätsorganisation (die zum IWF wurde) in Washington ansässig wurde und durch das Stimmrecht weitgehend von der USA kontrolliert wird.

Es ist wichtig anzuerkennen, dass nicht das Unternehmen als solches korrupt ist. Letzten Endes handelt das Unternehmen als Organismus nur dann, wenn es im Innern eine Kraft gibt, die dieses Handeln verursacht. Die wesentliche Frage ist, wer oder was spricht oder handelt innerhalb des Organismus? Im Idealfall beinhaltet die Unternehmensorganisation eine Idee, die die Entfaltung der Aufgabe des Unternehmens unterstützt. Die Art, wie Finanzierung zustande kommt, kann zur Erfüllung oder zum Scheitern dieser Aufgabe beitragen.

Die Jugend heute steht bereit, Aufgaben zu übernehmen – aber dafür wird Kapital gebraucht. Entweder für ihre Ausbildung, bis sie selbst alt genug ist, um Werte zu schaffen oder auch für ihre Ideen zur Lösung der gegenwärtigen Weltprobleme. Wenn das Kapital, das jetzt ziellos in der Welt umherschweift in Form von unbeständigen Marktaktivitäten dagegen gebündelt und in die Richtung der Jugend gelenkt wird, kommt Stabilität in die Welt. Entweder für Schulfinanzierung, für humanitäre Leistungen oder Industrie – die For-Profit-Struktur wäre die einzige, die notwendig ist, weil die Kosten für ausgelagerte Non-Profit-Bereiche nicht mehr dauernd abgefangen werden müssten.

Letzten Endes ist die Welt, wie sie Steiner Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beschrieben hat, nicht mehr so weit weg, wir können nach ihr greifen. Einzelne Menschen, nicht die „Experten“ halten den Schlüssel in der Hand: Es stellt sich nur die Frage, ob es genug Menschen gibt, die wirklich willens sind zu handeln.

END/nna/cva/lml/ung

Bericht-Nr.: 111026-02DE Datum: 26. Oktober 2011

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