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„Bestenfalls Reparaturmaßnahmen in der Pflege“
Pflegewissenschaftler kritisieren Vorschläge der GroKo-Verhandler zum Thema Pflege. Sie gingen zwar in die richtige Richtung, deutlich mehr Mut und Inspiration seien jedoch notwendig.
KÖLN (NNA) – Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln (DIP) sieht in den bisherigen Verhandlungsergebnissen der GroKo-Parteien zum Thema Pflege keine wirkungsvollen Maßnahmen zur Bekämpfung des Pflegenotstands in Deutschland.
Zur ursächlichen Behebung der Pflegemisere seien „deutlich mehr Mut und Inspiration“ notwendig. Was bisher vorliege, seien bestenfalls „Reparaturvorschläge“.
Die Aussagen in den Sondierungspapieren zu Personaluntergrenzen und -bemessung in Krankenhäusern und in Pflegeeinrichtungen, zur Vergütungsentwicklung sowie zur Stärkung der Angehörigenpflege gingen zwar in die richtige Richtung, sagte Prof. Frank Weidner, Leiter des DIP.
Notwendig sei jedoch darüberhinaus ein „wirksames und nennenswertes Stellenförderprogramm im gesamten Pflegebereich“, außerdem Impulse für eine zukunftsorientierte, wohnortnahe Versorgung sowie einen „spürbaren Investitionsschub in Arbeit, Bildung, Forschung und Innovation der Pflege.“ SPD, CDU und CSU müssten in den Koalitionsverhandlungen „entsprechend nachlegen“.
Insbesondere die Tatsache, dass es bisher keine Konkretisierungen für einen Stellenausbau der Pflege im Krankenhaus gebe, wird vom DIP scharf kritisiert. Im Vergleich zu 1995 fehlten in den Krankenhäusern heute rund 25.000 Stellen für die Pflege, es gebe aber fast 60.000 Stellen für die Ärzte mehr. Heute würden fast 4 Mio. Patienten jährlich mehr behandelt als noch 1995. Eine Pflegefachperson müsse sich von daher um 60 Patienten im Jahr kümmern, 1995 waren es noch 45.
Damals arbeiteten statistisch gesehen 3,5 Pflegefachkräfte mit einem Arzt zusammen, heute sind es nur noch zwei Pflegende pro Arzt. „Die Pflege hat in den letzten 20 Jahren aufgrund des ökonomischen Drucks im Krankenhaus ganz wesentlich und mehr als alle anderen Berufsgruppen geblutet“, kritisiert Weidner.
Überfällige Entwicklung
Die Planungen von CDU, SPD und CSU, Personaluntergrenzen in den Krankenhäusern auf allen bettenführenden Stationen einführen zu wollen, sind nach Ansicht des Instituts zwar richtig, aber „das werden Grenzen nach unten sein, die bestenfalls verhindern, dass die Relationen noch schlechter werden“, sagte Weidner.
In der stationären Langzeitpflege seien in den Sondierungspapieren bisher 8.000 zusätzliche Fachkraftstellen geplant. Dies sei „nach mehreren Runden der Stellenförderung von ungelernten Betreuungskräften in den vergangenen Jahren“ als Fortschritt anzusehen. Bei rund 13.500 stationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland ergeben sich jedoch insgesamt so nur 0,6 Stellen mehr pro Einrichtung. Das sei angesichts des enormen Drucks in den Altenheimen „nichts Halbes und nichts Ganzes.“
Die Position der GroKo-Verhandler zur Einführung eines Flächentarifvertrags in der Altenpflege hält das DIP für überfällig und empfiehlt den Tarifpartnern, einen solchen Vertrag zeitnah in allen Bundesländern anzugehen und umzusetzen.
Die Forscher des DIP hatten Ende 2017 für einen Masterplan Pflege in Deutschland argumentiert und die zeitnahe Einrichtung eines runden Tisches aller Beteiligten angeregt, 100.000 neue Stellen in der Pflege und deutlich höhere Vergütungen gefordert sowie ein Innovationsprogramm angemahnt. Die Kosten für einen solchen Masterplan Pflege belaufen sich nach Schätzungen des DIP mittelfristig auf zusätzlich rund 12 Mrd. Euro jährlich.
Gesamtschau
Das Institut plädiert auch für eine stärkere Gesamtschau in der Pflege und eine Abkehr von der berufsbezogenen Betrachtung auf Krankenpflege hier und Altenpflege dort. In der letzten Legislatur periode hätten die Regierungsparteien das Pflegeberufereformgesetz verabschiedet und damit einer allgemeinen Pflegeausbildung endlich die Tür geöffnet. „Es ist nun dringend geboten, diesem Reformschritt weitere folgen zu lassen“, betont das DIP.
Das gemeinnützige und unabhängige Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) hat seinen Sitz in Köln an der Katholischen Hochschule NRW. Seit der Gründung im Jahr 2000 hat das Institut nach eigenen Angaben. mehr als einhundertzwanzig innovative Projekte im Bereich der Pflege-, Pflegebildungs- und Versorgungsforschung durchgeführt und zahlreiche Studien zur Situation der Pflege in Deutschland veröffentlicht.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 180204-01DE Datum: 4. Februar 2018
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