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Auf der Suche nach einer sinnvollen Art des Wirtschaftens

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By Jonathan Keller

Im Wirtschaftsleben machen wir die Arbeit, das Geld und den Boden zu Waren – die Unternehmen, die Liegenschaften und das Kreditwesen zu Renditeobjekten – die Lebensbedürfnisse, die Existenznöte und die Begehrlichkeiten zu Investitionsobjekten. Was sind aber die sozialen Elemente und Zusammenhänge aus geistiger Sicht ihrem Wesen nach?

Rund 60 Menschen aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern folgten am 14. und 15. November der Einladung ans Kolloquium der Initiativgruppe Finanzkreislauf an die Rudolf Steiner Schule Zürich um dieser Frage nachzugehen. Jonathan Keller von der Initiative zur Förderung sinnvoller Kapitalflüße im Finanzkreislauf hat den folgenden Bericht für NNA verfasst.

ZÜRICH (NNA) – Marc Desaules (L’Aubier, Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz) eröffnete die Tagung mit einem Beitrag zum Freien Arbeiten und zur solidarischen Einkommensverteilung. Er schilderte, wie die Wirtschaft von ihrer Eigenschaft her brüderlich sei, d.h. auf Gegenseitigkeit beruhe und wie das dem Wirtschaftsleben fremde, heute jedoch dominierende Egoismusprinzip sich als Unheilstifter erweist.

Weiter führte er aus, wie die volkswirtschaftliche Wertschöpfung durch „Arbeit an der Natur“ und „Organisation der Arbeit durch den Geist“ geschieht. Demzufolge sei der Quadratmeterpreis des Bodens nicht ein realer Wert, sondern ein Scheinwert dem keine Wertschöpfung zu Grunde liege. Dieser laufend steigende Scheinwert des Bodens verteuert die ganze Wertschöpfung im Wirtschaftskreislauf und verunmöglicht so das Zustandekommen von richtigen Preisen.

In der weiteren Diskussion zur Frage der solidarischen Einkommensverteilung zeigte sich, dass wir viele Einrichtungen kennen (Krankenkassen, Invalidenversicherung, AHV, etc.) über die die Einkommen der Erwerbstätigen an die aktuell Bedürftigen umverteilt werden. Das Problem wurde in der Selbstversorgermentalität im Umgang mit diesen Einrichtungen gesehen. Diese Mentalität führt dazu, dass wir die Prämien mit dem Ziel der eigenen Vorsorge entrichten und dauernd versuchen für uns die grössten Vorteile zu erlangen. Dies korrumpiert den Sinn und Zweck solcher Einrichtungen und gereicht schlussendlich allen zum Nachteil.

Solidarische Ansätze

Um Ansätze eines solidarischen Umgangs mit Liegenschaften ging es in dem Beitrag von Jean-Marc Decressonnière (Freie Gemeinschaftsbank). Während der Boden als Lebensgrundlage der Menschen keine handelbare Ware ist, sind die Gebäude durch menschliche Arbeit hervorgebrachte volkswirtschaftliche Werte. Das Nutzungsrecht am Boden und die Eigentumsverhältnisse an den Gebäuden müssen entsprechend differenziert ausgestaltet werden.

Auch in Bezug auf die Finanzierung von Liegenschaften kann der Gedanke des solidarischen Ausgleichs zum Tragen kommen. Die Initiativgruppe ist hier insbesondere auch der Frage nachgegangen, wie die Finanzierung des Lebensunterhaltes im Alter in solidarischer Weise mit einer nach Lebensabschnitten differenzierten Finanzierung des Wohnraumes verbunden werden kann.

Die Frage einer solidarischen Finanzierung von Liegenschaften wurde in der Diskussion auch konkret auf die Arbeit der Freien Gemeinschaftsbank bezogen. Jean-Marc Decressonnière wies darauf hin, dass im Hypothekargeschäft mit der Belehnung des Bodens dessen Verkäuflichkeit vorausgesetzt werde. Das Ideal, grundpfandrechtlich abgesicherte Realkredite – gemäss den Anregungen Rudolf Steiners in seinem 1922 gehaltenen Nationalökonomischen Kurs – durch Personalkredite zu ersetzen, ist unter den gegebenen regulatorischen Anforderungen und der begrenzten Eigenmittelausstattung der Bank nur in sehr bescheidenen Ansätzen möglich.

Um weitere Schritte in diese Richtung tun zu können, ist die Bank darauf angewiesen, ihre Eigenmittel zu stärken. Neben den Genossenschaftern und Kreditnehmerinnen der Bank sind hier auch die Anlagekunden gefragt, die künftig mit nachrangigen Festgeldern einen Beitrag leisten können.

Soziale Tätigkeit

Cristobal Ortin (Christengemeinschaft Zürich) führte aus, wie sich dem Wirken im Sozialen neben äusseren auch innere Widerstandskräfte entgegenstellen. Er nannte Bequemlichkeit: „Es funktioniert ja alles.“ „Das kann man doch nicht umsetzen.“ etc., Unabhängigkeit: „Ich möchte nicht von anderen abhängig sein.“, kausales, fantasieloses Denken und Angst vor dem eigenen Schicksal: „Ich möchte das Leben so einrichten wie ich es für gut befinde.“ Desweiteren machte er deutlich, dass das künstlerische Arbeiten behilflich ist bei der Überwindung dieser Widerstände und uns erst befähigt gesundend tätig zu werden im Sozialen.

Das Kolloquium war geprägt von einem intensiven Austausch mit vielen anregenden Ideen und einem engagierten Publikum. Die Veranstalter hoffen, dass das Interesse an diesen Fragen anhält und die geplante öffentliche Tagung „Ethisch-praktisches-Wirtschaften“ vom 20. bis 22. November 2015 am Goetheanum in Dornach regen Zuspruch findet. Als Veranstalter dieser Tagung haben neben der Initiativgruppe Finanzkreislauf bisher die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz, die CoOpera, die Freie Gemeinschaftsbank, die Christengemeinschaften in der Schweiz, Anthro Züri und die Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum zugesagt.

END/nna/cva

Bericht-Nr.: 141127-03DE Datum: 27. November 2014

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Der Boden als Lebensgrundlage des Menschen sollte keine Ware sein, wohl hat das Gebäude aber einen volkswirtschaftlichen Wert.<br>Foto: Vivi-o / Shutterstock.com