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25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention: Zum ersten Mal wurden Kinder als Subjekte angesehen

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By Olivia Girard

Heute vor 25 Jahren, am 20. November 1989, wurde die Kinderrechtskonvention von den Vereinten Nationen (KRK) verabschiedet. Olivia Girard, Mitarbeiterin der internationalen Waldorforganisation „Freunde der Erziehungskunst“ erläutert für NNA ihre Bedeutung und stellt Bezüge zur Waldorfpädagogik her.

BERLIN (NNA) – Mit der Kinderrechtskonvention werden Kinder zum ersten Mal in der Geschichte als Subjekte statt Objekte betrachtet. Genau wie die Erwachsenen haben sie Rechte und dürfen diese auch beanspruchen.

Inzwischen ist die KRK von 194 Ländern unterschrieben und ratifiziert – neuerdings auch von Äthiopien und dem Südsudan. In den USA dagegen gilt die KRK noch nicht. Jahrzehntelang haben internationale Experten an der KRK gearbeitet, sie berücksichtigt die Wichtigkeit traditioneller und kultureller Werte für den Schutz und die harmonische Entwicklung des Kindes.

Die Länder verpflichten sich, ihre nationalen Gesetze der KRK anzupassen. D. h., die Staaten müssen gewährleisten, dass alle Kinder ohne jegliche Diskriminierung von besonderen Schutzmaßnahmen und von Betreuung profitieren wie Zugang zur Bildung und zur Gesundheitsfürsorge. Ziel ist die volle Entfaltung der Persönlichkeit, der Fähigkeiten und Begabungen eines jeden Kindes. Kinder haben nach der KRK das Recht, in einer Umgebung von Freude, Liebe und Verständnis aufzuwachsen und teilzuhaben an der Gesellschaft.

Umdenken

Das Neue dabei ist ein Bild des Kindes, das nun weder Eigentum der Eltern noch ein hilfloses Objekt von Wohltätigkeit ist. Kinder werden als vollgültige Menschenwesen, Individuen und Mitglieder der Familie und der Gemeinschaft betrachtet. Auf internationaler Ebene findet allmählich ein Umdenken statt auch im Bereich der internationalen Hilfsprogramme von einer Orientierung an der Bedürftigkeit („needs based approach“) zu den Rechten der Kinder („rights based approach“).

Die KRK hat unser Verständnis von Kindheit revolutioniert. Sie geht weit über die Rechtsebene hinaus, beeinflusst und verändert tief greifend das gesellschaftliche Ansehen des Kindes. Außerdem ist sie Ausdruck eines Zeitgeistes, in dem sie sich für eine Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen auf Augenhöhe einsetzt.

Kinder wollen ernst genommen werden, sie gestalten die Welt mit und es entsteht ein Wechselspiel, in dem sie die Gesellschafft beeinflussen, die wiederum auf sie zurückwirkt. Die aktuelle Kindheit der Mehrheit der Kinder liegt zwar noch weit entfernt vom Ideal, wie es in der KRK formuliert ist. Trotzdem ist mit der Konvention ein Umdenkprozess in Gang gesetzt worden, der seine Wirkung entfaltet.

Die drei Ps

Die 44 Artikel der KRK lassen sich zu den berühmten drei Ps zusammenfassen: provision, protection and participation (bereitstellen, schützen, beteiligen) und haben einige wesentliche Hauptartikel: Diskriminierungsverbot (Art. 2); Wohl des Kindes, das als das „beste Interesse“ des Kindes zu verstehen ist (Art. 3); das Recht auf Leben (Art. 6) und die Berücksichtigung des Kindeswillens, als Partizipationsrecht zu verstehen (Art. 12).

Hier gibt es bei der deutschen Übersetzung der Konvention einen wesentlichen Unterschied zum Original in Englisch, wo „the best interest of the child“ umfassender ist als das deutsche „Kindeswohl“ (englisch „wellbeing of the child“), das eher einen paternalistischen und von daher nach dem Verständnis der KRK überholten Umgang mit Kindern darstellt. Das Prinzip des „besten Interesses“ bedeutet, dass in allen rechtlichen Fragen und gesellschaftlichen Entscheidungen, egal in welchem Feld, dieses Interesse des Kindes primär berücksichtigt werden muss.

Mit der KRK entstehen komplexe Fragen über den Umgang mit Kindern und die Wirkung von verschiedenen pädagogischen Maßnahmen, durch die Kinder oft als „unfertige“ oder „unentwickelte“ Wesen von Erwachsenen behandelt und damit diskriminiert werden.

Waldorfpädagogik und KRK

Hervorzuheben ist, dass die Grundsätze der Waldorfpädagogik prinzipiell mit den Kernprinzipien der Konvention übereinstimmen. Zu Artikel 29 „Bildungsziele und Bildungseinrichtungen“ erklärt das UN-Kinderrechtskomitee in den General Comments, dass die Bildungsziele, zu denen sich alle Staaten verpflichtet haben, auf der jedem Kinde angeborenen Menschenwürde und seinen unantastbaren Rechten basieren.

Diese Ziele berücksichtigen die besonderen Entwicklungsbedürfnisse und die sich entfaltenden Fähigkeiten des Kindes. (vgl. UN CRC General Comment No.1, 2001, S. 2–3). Schließlich wird hier auch eine ganzheitliche Bildung hervorgehoben, die ein Gleichgewicht zwischen der Förderung auf physischer, mentaler, spiritueller und emotionaler Ebene beinhaltet. Erziehung soll die Fähigkeiten des Kindes so entfalten, dass es zur vollen und verantwortungsvollen Teilnahme in einer freien Gesellschaft befähigt wird. Entsprechend so gestaltet sein, dass sie eine menschliche Atmosphäre fördern (vgl. UN CRC General Comment No.1, 2001, S. 5).

Eine Form des Unterrichts, die primär nur auf Wissensakkumulation zielt, zu Konkurrenzkampf erzieht und von wirtschaftlichen Interessen bestimmt ist, stellt somit eine gravierende Kinderrechtsverletzung im Sinn der KRK dar. Es könnte ein wichtiger Beitrag der Waldorfbewegung zum 25-jährigen Bestehen der KRK sein, ihre fast 100-jährige Erfahrung auf politischer Ebene verstärkt sichtbar zu machen und die nationalen und internationalen Organisationen, die die Interessen des Kindes vertreten, zu stärken.

Denn nur eine gemeinsame Aktion von allen Akteuren, Personen und Institutionen, die in direkter oder indirekter Beziehung zu den Kindern stehen, kann bewirken, dass alle Kinder eine gute und qualitative Kindheit erleben dürfen zur vollen Verwirklichung ihrer Aufgaben in der Welt.

END/nna/ung

Quellennachweise: UNICEF, www.unicef.org/crc/index_30229.html [8.7.2014], United Nations Convention on the Rights of the Child, 2001, General Comment No. 1, S. 2. daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G01/412/53/PDF/G0141253.pdf?OpenElement [17.7.2014]

Bericht-Nr.: 141120-01DE Datum: 20. November 2014

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