Nachrichtenbeitrag

Wie kann anthroposophische Arbeit intensiviert werden?

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Von NNA-Korrespondentin Edith Willer-Kurtz

BONN (NNA) - Um Möglichkeiten einer Intensivierung der anthroposophischen Arbeit ging es bei einem Vortragsabend, zu dem der Bonner Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft Johannes Kiersch eingeladen hatte. „Jeder Mensch selbst“- Ita Wegmans Vision zum Fortschritt der Anthroposophie“ lautete der Titel der Veranstaltung. Kiersch ist langjähriger Waldorflehrer und Dozent am Institut für Waldorfpädagogik in Witten- Annen.

 

In seiner Einstiegsthese wies Kiersch darauf hin, dass einerseits heute beachtliche Wirkungen der Anthroposophie in der Gesellschaft zu erkennen sind, andererseits aber die eigentliche esoterische Arbeit in der anthroposophischen Gesellschaft eher einen Rückgang zu verzeichnen hat.

Kiersch widmete sich dann vor allem den sog. Klassenstunden Rudolf Steiners, einem Kernstück der anthroposophischen Arbeit. Die Zuhörer wurden in einen geschichtlichen Zusammenhang mit der Frage gestellt, wie denn die Klassenstunden Verbreitung finden sollten. Dabei tauchte die Definition des Gurus auf, so wie er im asiatischen Raum Bedeutung findet. Dort leitet der Guru seine Schüler streng von oben nach unten, seine Wirksamkeit bestehe in vollkommener Hingabe des Schülers an den Meister, betonte Kiersch.

Zu einem völlig anderen Ansatz kam Rudolf Steiner in seinen jungen Jahren in Wien und Dornach: Die „Wirklichkeit des eigenen geistigen Selbst“ formulierte Steiner im Brief an einen Freund. So sei er sich seiner geistigen Existenz bewusst geworden. Moralisches Handeln könne sich daher nur aus dem Ich ereignen, nicht etwa durch Verabredungen, zum Beispiel bei den Klassenstunden, legte Kiersch Steiners Standpunkt zu dieser Frage dar. „Lebe dich selbst ganz aus, denn nur wenn Du das selbst auslebst, was du selbst in dir hast, dann geht die Evolution weiter“, erklärt Kiersch Steiners Erkenntnisse. Dieser Impuls wurde später konkretisiert von Steiner: „Der Mensch sei notwendig, damit die Evolution ihren Fortgang weitergehen könne“.

Damit setzt Steiner in der Esoterik auf die individuelle Verantwortung: „Auf jedes Ich komme es an“, wurde Steiner zitiert und dass er zur Übung aufforderte: „Fügen sie irgendetwas Neues ein in ihr anthroposophisches Leben!“, berichtete Kiersch. Steiner hatte damit schon in seiner Jugend eine Ethik entwickelt, die er immer weiter ausarbeitete, „die Freiheitsidee sei das treibende Moment“ macht Kiersch mit Steiners Worten verständlich.

Was bedeutet das nun für den Umgang mit Steiners Klassenstunden? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass nach Steiners Tod einzelne Texte einzelnen Personen ausgehändigt und die Inhalte gelesen wurden – abweichend von Steiners Ratschlägen dazu. Hier setzt nun Ita Wegmans Impuls ein, wie Kiersch erläuterte.

Trotz ihrer beider engen Arbeitsbeziehung und Freundschaft hatte Rudolf Steiner Ita Wegman nicht als seine Nachfolgerin in der Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft eingesetzt. Sie selbst war der Meinung, ihre persönliche Beziehung zu Steiner lege diesen Schluss nahe, dies wurde in der Gesellschaft jedoch nicht so gesehen, Albert Steffen trat Steiners Nachfolge nach dessen Tod 1924 an. Jahrelange Auseinandersetzung und eine Spaltung der Anthroposophischen Gesellschaft waren bekanntlich die Folge.

Wegman blieb Leiterin der Arlesheimer Klinik und erlebte so die Herausforderung des Jahres 1933. Da sie die Zeitgeschehnisse überschaute, forderte sie: „Wir müssen jetzt zusammenwirken.“ Durch eine lebensgefährliche Erkrankung kam es zu einem besonderen spirituellen meditativen Erlebnis, das vermutlich auch zu ihrer Gesundung führte, ihre Gesundung förderte. „Sie habe noch etwas zu tun“, wird der Grundtenor dieses Erlebnisses in einem Tagebuch geschildert. Wegman rief die Mitarbeiter ihrer Klinik zusammen und teilte ihnen einen Entschluss mit, den sie vor diesem Hintergrund gefasst hatte: Nach jahrelanger Pause würden die Klassenstunden wieder gehalten - allerdings in freier Form.

Ita Wegman suchte nun nach neuen Formen für dieses Kernstück anthroposophischer Arbeit. Sie wird mit der Bemerkung zitiert, was sich als erste Klasse ergebe, das sei noch lange nicht erschöpft, müsse aber anders werden. Der Mensch sei die Form, die die Anthroposophie ausmache. Gleichzeitig begann sie auch selbst ihr Verhalten zu ändern, was von den Mitarbeitern bemerkt und positiv kommentiert worden war. Sie hatte jetzt nicht mehr den Anspruch zu bestimmen. In Hinwendung an ihre Umgebung hatte sie gelernt, ihr soziales Wirken zu gestalten.

Für die heutige Zeit, so Johannes Kiersch, habe sie damit eine Gestaltungsaufgabe hinterlassen, aus der sich Willensimpulse bilden könnten. Heute, so Kiersch, beobachte er Fortschritte in der Toleranz, die sich entwickelt haben. Nicht nur eine Meinung habe Geltung, so wie es früher oft der Fall war. Der Individualisierungsprozess sei zu bemerken.

Diese Frage stand auch im Raum in dem anschließenden Gespräch in kleiner Runde. Die Anthroposophie sei in der biodynamischen Landwirtschaft mit den Demeterprodukten, in der Herstellung anthroposophischen Arznei- und Kosmetikartikel ganz sicher angekommen, genauso in der Pädagogik und in den Heilberufen. Aber ist der einzelne Mensch in Freiheit in der selbstbestimmten Lebensplanung lebendig? Dazu gab es Beispiele, die dies belegen konnten aber auch Missstände, die Verbesserungen bedürfen, kam im Gespräch heraus. Für den einen ist Dornach weiterhin ein Kraftort, andere sehen die Anthroposophie doch in der Gesellschaft in vielfältigeren Erscheinungsformen, oft mehr vom Inhalt her als nach der Benennung. Freie wieder auflösende und beweglich fließende Gespräche in großer Geduld wären zukünftig wichtig, schloss Kiersch.

Beispielhaftes aus der Arbeit der Zweige der anthroposophischen Gesellschaft steht u.a. auch auf der Tagesordnung, wenn die Gesellschaft in Deutschland im September diesen Jahres das 100jährige Jubiläum ihrer Gründung feiert. „ZeitZeichenZwölf - Die Identität der Anthroposophischen Gesellschaft“ lautet der Titel der Tagung in Köln, von der sich die Gesellschaft einen lebendigen Austausch der Zweige untereinander und gegenseitige Anregungen erhofft. Im Juni hält die deutsche Landesgesellschaft eine Mitgliederversammlung in Dornach ab, die den Titel „Im Schmelztiegel des Ich - Die Anthroposophische Gesellschaft, die wir wollen“ trägt. (zu den Tagungsprogrammen siehe Link). Das Jahr 2012 ist so nach 2011, in dem der 150.Geburtstag von Rudolf Steiner für viel Öffentlichkeit zum Thema sorgte, mit seinen Jubiläen erneut ein guter Anlass, Anthroposophie in der Öffentlichkeit darzustellen. Geburtstag hat neben der deutschen Anthroposophischen Gesellschaft in diesem Jahr auch die Bewegungskunst Eurythmie und der „Seelenkalender“ von Rudolf Steiner, der Meditationen gemäß den Stimmungen des Jahresverlaufs ermöglicht.

End/will/ung

www.anthroposophische-gesellschaft.org/fileadmin/Agid/Dateien/AGiD_-_Tagungen_Dornach__Köln_2012.pdf

Bericht-Nr.: 120306-01DE Datum: 6. März 2012

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