Nachrichtenbeitrag
US-Branchenführer schlachtet 42 Millionen Tiere pro Woche
BERLIN/PARIS (NNA) – Fleischkonsum als Triebkraft für Umweltzerstörung, Vermehrung des Hungers in der Welt und immer größere soziale Ungleichheit: Über die wirtschaftlichen Interessen, die mit dem wachsenden Fleischkonsum in der Welt verbunden sind, informiert der „Fleischatlas“, den die Heinrich-Böll-Stiftung, Le Monde Diplomatique und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Anfang des Jahres herausgegeben haben.
Wie aus den im „Fleischatlas“ veröffentlichten Daten hervorgeht, gehen die Experten davon aus, dass sich die Fleischproduktion bis Mitte dieses Jahrhunderts noch um mehr als ein Drittel steigern wird – auf jährlich fast 470 Millionen Tonnen.
Die weltweite Nachfrage nach Fleisch verteilt sich nach den im „Fleischatlas“ veröffentlichten Daten sehr unterschiedlich. Während in Europa und den USA, den traditionellen Fleischproduzenten im 20. Jahrhundert, der Konsum nur langsam zunimmt, stagniert oder – wie im Fall von Deutschland – sogar zurückgeht, findet in den aufstrebenden asiatischen Ländern ein regelrechter Fleischboom statt.
„Hier wird nach westlichem Vorbild zunehmend unter hochindustrialisierten Bedingungen Fleisch erzeugt, mit all den unerwünschten Nebeneffekten wie Lebensmittelskandalen, Antibiotikamissbrauch, Nitratbelastungen und Hormoneinsatz”, so Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung aus Anlass des Erscheinen der Publikation.
Da die Gewinnmargen in der Fleischindustrie vergleichsweise gering sind, versuchen die zehn größten Unternehmen der Branche ihre Produktion durch mehr Effizienz und geringere Kosten zu steigern, dies führt zu einer Konzentrationsbewegung einerseits bei den Firmen, aber auch bei der Tierhaltung und bei der Geschwindigkeit der Verarbeitung.
Moderne Schlachtanlagen in Europa und den USA nehmen immer größere Dimensionen an. In Deutschland werden derzeit pro Jahr 735 Millionen Tiere getötet, die US-Gesellschaft Tyson Foods, einer der zehn größten Fleischkonzerne, schlachtet in einer Woche mehr als 42 Millionen Tiere. „Dahinter kann kein gesundes Agrarsystem stehen”, betont Unmüßig. Schier unvorstellbar sind auch die Kapazitäten der Schlachthäuser von JBS, dem weltgrößten Fleischverarbeiter in Brasilien: Hier werden täglich (!) 85.000 Rinder, 70.000 Schweine und 12 Millionen Vögel getötet. Das Fleisch wird in 150 Länder exportiert.
Der Markt wächst vor allem bei Schweinen und Geflügel, da beide Tierarten Futter gut verwerten und auf engem Raum gehalten werden können. Bis 2022 werde fast die Hälfe des zusätzlich konsumierten Fleischs Geflügel sein, schätzen die Autoren des „Fleischatlas“.
In Indien hat sich demgegenüber vor allem das Wachstum bei der Vermarktung von Büffelfleisch mehr als verdoppelt und drängt auch auf den Weltmarkt. Seit 2012 hat Indien sich so nach Brasilien zum größten Exporteur von Rindfleisch entwickelt, wenn man die Büffel mitzählt. Da Büffel kostengünstig zu halten sind, liegt der Fleischpreis schon unter dem des Rindfleischs.
70 Prozent aller Anbauflächen weltweit werden nach Angaben von BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning bereits jetzt für Tierfutteranbau beansprucht. Benning weist auf die enormen Umweltbelastungen und negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur durch den expandierenden Futtermittelanbau hin. „Die Folgen sind fatal, wertvolle Regenwälder gehen verloren, Böden und Gewässer werden mit Pestiziden belastet.“ So führt die großräumige Anwendung des Herbizids Glyphosat beim Gentech-Sojaanbau in Südamerika vermehrt zu massiven Gesundheitsschäden.
Das Futter für die zusätzliche Produktion von mehr als 150 Millionen Tonnen Fleisch im Jahr werde Land- und Nahrungsmittelpreise explodieren lassen. „Die Zeche für den globalen Fleischhunger zahlen die Armen, die von ihrem Land verdrängt werden und sich aufgrund der hohen Preise weniger Nahrung leisten können“, prognostizierte Barbara Unmüßig von der Böll-Stiftung.
Die Autoren des „Fleischatlas“ warnen auch vor einer möglichen Einfuhr hormonbehandelten Fleisches aus den USA durch das zwischen den USA und der EU geplante Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). „Wir müssen verhindern, dass im Zuge des Freihandelsabkommens die hohen Standards, die wir bei Lebensmitteln in der EU haben, aufgeweicht werden“, fordert der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger aus Anlass der Veröffentlichung des „Fleischatlas“. Deutschland und Europa verbieten aus guten Gründen Wachstumshormone in der Tierhaltung. Wenn das Freihandelsabkommen zugunsten multinationaler Unternehmen die Handelsverbote für Hormonfleisch abschaffen, stehe die Gesundheit von Tier und Mensch in Europa auf dem Spiel.
Auch deshalb werde sein Verband anlässlich der "Grünen Woche" in Berlin gemeinsam mit einem breiten Bündnis eine große Demonstration für eine verbraucher- und tierschutzgerechte Agrarpolitik durchführen (siehe dazu auch NNA-Bericht zur Grünen Woche).
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 140126-02DE Datum: 26. Januar 2014
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