Nachrichtenbeitrag
Trumps Wahlsieg eine „schmerzhafte, aber notwendige Lektion“
Laut Analyse des Trump Wahlsiegs von der Integralen Bewegung in den USA ging es um eine grundsätzlich Auseinandersetzung über Werte und Bedürfnisse. Die Verlierer der neoliberalen Agenda wehrten sich.
Auch die Vertreter der integralen Theorie und spirituellen Evolution Ken Wilbers haben bei den US-Präsidentschaftswahlen auf den Sieg der Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton gesetzt, deren Weltsicht ihnen näher steht als die von Donald Trump. Wie reagiert die Szene nun auf Trumps Wahlsieg?NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistnerhat sich dazu auf der Homepage integrallife.com umgeschaut.
BOULDER/USA (NNA) – Das Wahlergebnis sei eine „schmerzhafte, aber notwendige Lektion“ gewesen für all diejenigen, die in ihrer „wertebasierten Echokammer“ gelebt hätten, schreibt Robb Smith in seinem Artikel „Der Morgen danach“ auf www.integrallife.com. Auch er habe sich nicht bewusst gemacht, wie grundsätzlich die Auseinandersetzung über Werte und Bedürfnisse zwischen seinen Landsleuten und Nachbarn gewesen sei, betont der Mitbegründer der Website.
Wie Millionen andere auch habe er seine Werte immer wieder in seiner Argumentation vertreten und auf ihre umfassende Bedeutung hingewiesen. Obwohl die Argumente nicht falsch gewesen seien, seien es am Ende jedoch die grundsätzlicheren Bedürfnisse der Menschen gewesen, die den Ausschlag geben hätten.
Diese Lektion sei extrem wichtig, denn es sei einfach für alle Mitglieder progressiver Gemeinschaften, sie zu vergessen: Obwohl es in den Demokratien zuverlässige Mechanismen gebe für alle Teile der Bevölkerung, ihre Interessen zum Ausdruck zu bringen, seien die progressiven Gemeinschaften weit weg von dem, was die Mehrheit der Menschen beschäftigt: „Wir leben in einer Art Echokammer von postmodernen, globalen Werten. Wir versammeln uns bei Facebook, folgen einander auf Twitter. Wir konsumieren die digitalen Medien und sind hinsichtlich Events und globalen Vorkommnissen stets auf dem Laufenden. Wir fühlen uns als Weltbürger – aber unsere Nachbarn, die den größten Einfluss auf unser nationales Leben haben, sind Fremde für uns geworden, die neben uns leben. Wir sind wirklich ahnungslos gewesen“.
Das Informationszeitalter habe in den vergangenen 40-50 Jahren der Welt ein Spektrum von Bewusstseinszuständen beschert, das es so nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gegeben habe. Mit einem zunehmenden Auseinanderdriften der verschiedenen Levels von Reichtum und einem explodierenden Zugang zu Bildung, Medien und Perspektiven, könne man rund um die Welt inzwischen mindestens sechs vollentwickelte Ebenen von Wertebewusstsein ausmachen – es reicht vom russischen Bauern bis hin zu dem Meditationsseminaren in Berkley, von den totalitären ISIS-Kriegern bis hin zu den protestantischen Geschäftsleuten, die Trump unterstützt haben.
Nun gelte es, eine Realität anzuerkennen, die darin bestehe, dass die Mehrheit der Bevölkerung sogar in einem entwickelten Land wie den USA Werte zum Ausdruck bringen, die aus einer Zeit vor dem postmodernen, multikulturellen globalen Leben stammen. Die Kluft zwischen den „Globalisten“ und „Tribalisten“ (von tribal – Stamm) sei immens, schreibt Smith.
Kulturelle Kluft
Auch Ken Wilber hat darauf hingewiesen, dass die soziale Ungleichheit zwar im Blick der meisten Gesellschaften sei, die kulturelle Ungleichheit, die sich aus der technologischen Entwicklung ergebe, jedoch ausgeblendet werde. Nur ungefähr 20% der Bevölkerung seien in der Lage, die Möglichkeiten, die sich in den hoch entwickelten Gesellschaften ergeben, auch wirklich für sich zu nutzen. Die kulturelle Kluft und innere Spannung, die sich daraus für die modernen Gesellschaften ergeben, könnten verheerende Ausmaße annehmen, so Wilber. (Ken Wilber, Eine kurze Geschichte des Kosmos, Frankfurt 2011, S. 410 ff).
Für Smith wirkt die Wut über den unbeantworteten Groll gegenüber einem tauben Establishments wie eine totalitäre Kraft in der Mittelschicht, die in einem ständigen Überlebenskampf steckt: Keine moralischen Prinzipien, kein ökonomisches Argument und keine soziale Einfühlung könne das Establishment von seinem Prinzip „anything goes“ abbringen.
Es sei ein Kampf, den die Globalisten auf die Tagesordnung gesetzt haben und in dem sich die „tribalists“ ungesehen und ungehört fühlen und in dem sie immer mehr den ökonomischen, politischen und kulturellen Grund unter den Füßen verlieren in ihrem eigenen Land. Schutz, Sicherheit und Identität haben von daher für sie Priorität gegenüber allen anderen Werten, die erst dann an die Reihe kommen, wenn diese fundamentalen Bedürfnisse erfüllt sind.
Für die Globalisten sind demgegenüber liberale Prinzipien heilig – Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, friedliche Transformation von Macht, gleiche Rechte für Minderheiten – alles unverletzliche Rechte, bei denen keine politischen Kompromisse eingegangen werden können. Aber diese wichtigen Werte werden von den Menschen erst dann auf die Tagesordnung gesetzt, wenn ihre grundsätzlichen Bedürfnisse nach Sicherheit und Schutz erfüllt sind. Bewiesen werde dies auch in anderen Teilen der Welt, schreibt Smith unter Hinweis auf den Kampf um die Verwurzelung demokratischer Prinzipien im Nahen Osten.
Das sei die Lektion aus dieser Wahl, betont Smith : „Wenn wir weiter dafür wirken wollen, dass wichtige multikulturelle Werte gefördert werden, dann müssen wir besser hinhören und uns mit denjenigen befassen, deren grundsätzliche Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Anders wird es nicht gehen. Auch wenn wir uns in Gemeinschaften zusammenschließen, die eine gleiche Meinung vertreten – es ist genauso wichtig, aus unseren Echokammern herauszutreten und uns außerhalb zu engagieren.“
Kriegspräsident
In einem zweiten Text, „Wir haben gerade einen Kriegspräsidenten gewählt“, analysiert Smith die Auswirkungen der letzten Dekaden, in denen die Finanzelite ein Wiederaufleben der neoliberalen Agenda betrieben hat mit einem sich ständig ausweitenden freien Handel, globalen Finanzströmen und einer dezimierten Arbeiterbewegung.
Die Folgen dieser Politik liegen klar auf der Hand: Die amerikanische Oberschicht und alle Arbeitenden der Welt seien die Gewinner, Verlierer dagegen die Unter- und Mittelschicht in den USA. Deren Wohlstand habe stagniert in den 30 Jahren zwischen Reagan und Obama, während die Oberschicht in demselben Zeitraum ihr Vermögen verdoppelt habe.
Die Wahl von Trump sei von daher auch als erste Gegenbewegung der White Working Class (WWC) anzusehen, weitere Schritte seien zu erwarten. Sie richten sich sowohl gegen die Eliten der hoch entwickelten Länder als auch gegen die aufstrebende Mittelschicht der Schwellenländer.
Amerika habe sich damit einen „Kriegspräsidenten“ gewählt in einem Krieg, der kein militärischer ist, sondern einer, bei dem es um die Arbeitsplätze geht. Trump hat ihn gewonnen, weil ein großer Teil des Landes zu den ersten Opfern dieses Krieges zählt und die Wähler einen Präsidenten wollten, der ihnen dabei hilft, nicht länger zu den Verlierern zu gehören.
Trump habe den Ärger der White Working Class aufgegriffen – unterstützt durch eine gezielte und wirkungsvolle Kampagne im Bereich der sozialen Medien. Seine Unterstützer hörten: „Ich werde Amerika helfen, diesen Krieg zu gewinnen“. Die Aussage der Gegenpartei dazu war: „Amerika ist schon groß“. Die fehlende Kommunikation zwischen beiden Positionen ist klar ersichtlich.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 161202-03 DE Datum: 2. Dezember 2016
© 2016 News Network Anthroposophy Limited (NNA). Alle Rechte vorbehalten.