Nachrichtenbeitrag
Steiner-Biographie von Prof. Helmut Zander wird kritisch durchleuchet
Eine kritische Durchleuchtung der 2011 erschienene Steiner-Biographie von Religionswissenschaftler Prof. Helmut Zander ist jetzt im niederländischen Occident Verlag erschienen. NNA-Korrespondent Wolfgang G. Voegele hat sie sich angeschaut.
BAARTE NASSAU/NL (NNA) – Das Werk des Biologen und Waldorflehrers Holger Niederhausen ist die erste Auseinandersetzung mit Zanders Werk in Buchform. Niederhausen engagiert sich schon seit längerem im Internet als Kritiker von Zanders Veröffentlichungen, der im akademischen Mainstream als Steiner-Kenner gilt (siehe Link).
Wie schon Karen Swassjan, Lorenzo Ravagli, und Rahel Uhlenhoff in ihren Repliken auf Zanders Publikationen will auch Niederhausen nachweisen, dass Zanders historisch-kritische Methode Einseitigkeiten produziert, die das Bild von Steiner in der Öffentlichkeit verzerren. In den Beispielen, die Niederhausen anführt, geht es nicht nur um einzelne Irrtümer, sondern Niederhausen wirft Zander vor, Quellen im Sinn seiner Hypothesen zu manipulieren.
Mit seiner Zander-Kritik in Buchform möchte Niederhausen außerdem „etwas von der wahren Gestalt der Anthroposophie sichtbar machen.“ Zu diesem Zweck stellt er Zanders Ausführungen meist ein Zitat von Rudolf Steiner gegenüber, damit möchte er dokumentieren, dass Zander Wortlaute Steiners unterschlagen, „weil aus ihnen die Wahrheit sofort hervorginge.“ (29) Niedernhausen unterstellt dem Religionswissenschaftler Absicht, ja einen regelrechten Hass auf die Anthroposophie, die seiner Auffassung nach in einer unbewussten „Furcht vor der geistigen Welt“ begründet sei. Hier bezieht sich Niederhausen auf Steiner selbst, der zu seiner Zeit die Gehässigkeit mancher Kritiker auf deren unbewusste Furcht vor dem Übersinnlichen zurückgeführt hatte.
Niederhausens Feststellung, fast alle Zanderschen Deutungen hätten mehr oder weniger den Charakter einer Anschuldigung und Steiner werde als „ein machtorientierter, autoritärer Plagiator und Scharlatan“ (404) dargestellt, ist nicht neu. Schon David Marc Hoffmann sprach von einer „Verdachtshermeneutik“ in den Schriften von Helmut Zander. (Uhlenhoff, 2011, S. 91)
Bereits mit den ersten Worten des Buches unterstelle Zander Steiner eine bewusste Lüge, nämlich in Bezug auf sein Geburtsdatum (18). Damit erzeuge Zander beim Leser von vornherein Misstrauen gegenüber Steiners Charakter. Dieser aber sei von tiefster Wahrhaftigkeit gewesen, betont Niederhausen (21).
Zander bescheinige Rudolf Steiner außerdem nicht nur intellektuelle Inkompetenz, sondern stellt ihn immer wieder als innerlich zerrissene, haltlose Persönlichkeit dar: „Er ist unfähig, seine Aufgaben zu organisieren, und er hat sein Leben immer weniger im Griff.“ (Zander, S. 59) Zanders „nonchalanter, jovialer Ton“ (391) gleite allzu oft in Menschenverachtung ab, etwa wenn er Steiners gesundheitlichen Zusammenbruch 1924 mit den Worten beschreibt: „Aber Ende September war seine Batterie leer.“ (Zander, S. 460 f.). Durchgehend äußert Niederhausen seine Betroffenheit, die er über Zanders Darstellungsweise empfindet und sieht dessen Werk im Kontext eines „Vernichtungsfeldzugs“ gegen Rudolf Steiner und die Anthroposophie.
Akribisch setzt sich Niedernhausen auch mit bekannten Vorwürfen gegen Rudolf Steiner auseinander, z.B. hinsichtlich Steiners akademischem Abschluss. Zander vermittele den Eindruck, Anthroposophen hätten das Ergebnis von Steiners Promotion bisher ängstlich verschwiegen. In Wahrheit hatten diese schon vor 20 Jahren eine gründliche Dokumentation über Steiners Dissertation veröffentlicht (Rudolf Steiner Studien, Band V, 1991, S. 202). Dabei geht es um das Wort „rite“ als Kennzeichnung von Steiners Dissertation, das Kritiker wie Zander als notenmäßige Bewertung deuten und daraus Steiners intellektuelle Unzulänglichkeit ableiteten. Obwohl im Protokoll des Promotionsverfahren stehe „Ein Praedicat wurde nicht beantragt“, sei für Zander klar: „Er bestand das Rigorosum (...), allerdings nur äußerst knapp mit der Bewertung ‚rite’.“ (Zander, S. 504) Niederhausen verweist demgegenüber auf eine Einschätzung von Ludger Jansen vom Institut für Philosophie der Universität Rostock, der erläutert: „Es ist wahrscheinlich, dass es bei externen Prüfungen nur um die Feststellung genügend (rite) oder ungenügend ging.“ Ein Werturteil sei damit nicht verbunden gewesen.
Niederhausens Buch ist eine emotionale Verteidigungschrift, er stellt sich vor Rudolf Steiner wie vor einen guten Freund, der von einem „Chefankläger“ Zander vor Gericht gezerrt wird. Immer wieder appelliert der Autor an Moral und Wahrheitsliebe des Lesers, die er bei Zander offensichtlich vermisst: „Die Wirkung [von Zanders Steinerbiographie] auf den Wahrheitssinn eines Menschen, der diesen Sinn ausgebildet hat und die Wahrheit liebt (...) ist nahezu unbeschreiblich. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht.“ (16). Bei Zander verbinde sich der Autoritätsanspruch der Wissenschaft mit dem der katholischen Kirche (390).
Prof. Zander repräsentiert eine hegemoniale konservative Kultur, der alles Neue schon verdächtig oder gefährlich erscheint. Von dieser sicheren Position aus ist es nicht schwer, weltanschauliche Minderheiten als Forschungsobjekte zu sezieren und sich damit im akademischen Kontext zu profilieren. Mit dem Mut der Verzweiflung wehrt sich Niederhausen gegen diese autoritäre Deutungshoheit des Schweizer Religionswissenschaftlers. Selbst wenn sein Engagement an Don Quichottes Kampf gegen die Windmühlen erinnert oder wie ein persönlicher Befreiungsschlag aussieht, verdient er doch Respekt. Niederhausens Ausdrucksweise ist unakademisch und leicht verständlich, seine Argumentation durchaus logisch und gewissenhaft. Auch wer schon frühere Widerlegungen der Zanderschen Arbeit durch andere Autoren kennt, wird in Niederhausens kritischer Studie manches Bedenkenswerte entdecken.
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Holger Niederhausen, Unwahrheit und Wissenschaft. Helmut Zander und Rudolf Steiner. Occident Verlag Baarte Nassau (Niederlande) 2013.
Bericht-Nr.: 131231-01DE Datum: 31. Dezember 2013
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