Nachrichtenbeitrag
Soziale Plastik in Zeiten des Social Distancing
Die Ausstellung „Ein Woodstock der Ideen“ im Museum Ulm zeigt Joseph Beuys als Pionier des gesellschaftspolitischen Aufbruchs. Sie bildet den digitalen Auftakt zum Beuys-Jahr 2021.
ULM/HEILBRONN (NNA) – „Ein Woodstock der Ideen – Joseph Beuys, Achberg und der deutsche Süden“ ist der Titel einer Ausstellung im Museum Ulm, die Ende Januar in digitaler Form eröffnet worden ist. Es geht ihr um das politische Engagement von Joseph Beuys. Sie ist eine Kooperation mit der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn, wo sie auch gezeigt werden soll.
Die Ausstellung bildet den Auftakt einer ganzen Reihe von Events zum Beuys-Jahr, denn am 21.5. 2021 ist der 100. Geburtstag von Beuys, am 23. Januar war sein 35. Todestag.
Direkte Demokratie, ein veränderter Umgang mit der Natur, mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft und ein verändertes Wirtschaftsleben – mit diesen von ihm bereits in den 70er und 80er Jahren in die Diskussion gebrachten Themen hat sich der Künstler Joseph Beuys auch im gesellschaftspolitischen Diskurs als Pionier erwiesen.
Hochaktuell seien diese Fragen – darauf wies die Direktorin des Museums Ulm, Stefanie Dathe, im Gespräch mit dem SWR hin, vor diesem Hintergrund sei es gerade heute wichtig, auf Beuys und sein politisches Engagement zu schauen. Im Begleitprogramm der Ausstellung sind u.a. auch Diskussionen mit Vertretern von Fridays for Future geplant.
Bei Beuys politischem Engagement spielten auch die regelmäßigen Tagungen und Kongresse im Internationalen Kulturzentrum Achberg (INKA) eine wichtige Rolle. Hier habe der Künstler viel mit jungen Leuten über die gesellschaftliche Zukunft diskutiert, im Zentrum stand seine Idee der sozialen Plastik.
Auch die Gründung der Grünen in Karlsruhe 1980, bei der Beuys anwesend war, sei aus diesem Kontext heraus zu verstehen, wurde in dem Interview deutlich. Beuys habe sich zwar mit seinen gesellschaftspolitischen Vorstellungen bei der Parteigründung nicht durchsetzen können, sei aber bis zu seinem Tod Mitglied der Grünen/Bündnis 90 geblieben, heißt es dazu auf der Homepage des Museums.
Wichtiger Bezugspunkt
Das Kulturzentrum sei ein wichtiger Bezugspunkt des politischen-geistigen Aufbruchs der 70er und 80er Jahre gewesen, wird betont. Erstmals wurden für die Ausstellung auch Dokumente aus dem Archiv des Kulturzentrums ausgewertet, das der Verleger und Autor Rainer Rappmann aufgebaut hat, der auch mit Beuys persönlich befreundet war. Es sei ein Antrag auf eine Digitalisierung des Archivs gestellt worden, sagte Dathe im SWR. Es enthalte viele bisher noch unveröffentlichte Bild- und Tonaufnahmen, die neue Perspektiven auf die Biografie von Joseph Beuys eröffnen.
Auch Beuys berühmter „Aufruf zur Alternative“, eine gesellschaftspolitische Vision, die er 1978 in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht hat, hat offensichtlich seinen Ursprung in den Achberger Treffen, wie Dathe gegenüber dem SWR erläuterte. In diesem Aufruf schlägt Beuys einen dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Kommunismus vor, beides Systeme, die „die Menschheit in eine Sackgasse geführt“ hätten.
Beuys stellt ihnen ein selbstverwaltetes gesellschaftliches Modell gegenüber, das durch gewaltfreie Transformation realisiert werden soll. Die gesellschaftspolitischen Vorstellungen von Beuys wurzeln auch in der Anthroposophie Rudolf Steiners.
Die Ausstellung macht außerdem auch auf Zusammenhänge zwischen dem künstlerischen Werk von Beuys und dem deutschen Süden aufmerksam, so sei die berühmte Honigpumpe für die documenta 6 in Kassel 1977 in Wangen im Allgäu hergestellt worden. Auch der Grundstoff für Beuys legendäre Filzobjekte stamme aus Giengen an der Brenz in der Nähe von Ulm.
Digitale Besichtigung und Begleitband
Die Ausstellung „Ein Woodstock der Ideen“ steht in Zusammenhang mit dem Jubiläum „75 Jahre Demokratie in Deutschland“ und steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Wilfried Kretschmann. Bedingt durch die Corona-Maßnahmen kann sie derzeit nicht in Präsenz besichtigt werden, aber Teile sind auf der Homepage des Museums zu sehen.
Außerdem gibt es einen Begleitband dazu mit zahlreichen Abbildungen und Texten u.a. von Stefanie Dathe, Marc Gundel, Rita E. Täuber, Rhea Thönges-Stringaris, Rainer Rappmann, Sabine Heilig, Wolfgang Zumdick und Lukas Beckmann (320 Seiten, 28 EUR ).
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Bericht-Nr.: 210210-03DE Datum: 10. Februar 2021
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