Nachrichtenbeitrag
Nichtbestätigung von AAG-Vorständen Kritik an Einzelverhältnissen
ANALYSE | Die Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft hat die Amtszeit von Paul Mackay und Bodo von Plato nicht verlängert. Es ging weniger um einen Richtungsstreit als Kritik an Einzelverhältnissen.
DORNACH (NNA) – Die offizielle Mitteilung von der Generalversammlung der weltweiten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (AAG) Ende März am Goetheanum im schweizerischen Dornach war kurz und knapp: „Nicht bestätigt wurde in derselben Versammlung die Verlängerung der Amtszeit der beiden Vorstandsmitglieder Paul Mackay und Bodo von Plato.”
Erst vor sieben Jahren wurde die lebenslange Amtszeit eines Vorstandsmitglieds der AAG durch eine siebenjährige Amtsperiode ersetzt und in diesem Jahr stand die Bestätigung von Mackay und von Plato zur Abstimmung an – die Generalversammlung war diesem Anliegen jedoch nicht gefolgt: 49.8 % der gültigen Stimmen fielen gegen Mackay aus, was ihm mit den Enthaltungen die notwendige Mehrheit verwehrte. Im Fall von von Plato weigerten sich 51.7 % ihn zu bestätigen.
Aus Vorstandkreisen war Bestürzung über die Entscheidung der Generalversammlung zu hören, dass die Mitglieder dem Vorschlag des Vorstands für eine weitere Amtszeit von Mackay und von Plato nicht gefolgt seien: Die vorangehende Debatte habe klar gemacht, so die Meinung gut informierter Quellen, dass die Sicht der um das Goetheanum lebenden Mitglieder eine deutlich andere sei, als in der breiteren Weltgesellschaft. Andere Kreise drückten sich weniger zurückhaltend aus und beschuldigten die schweizer Landesgesellschaft – genauer gesagt, ihren Vorstand – auf unlautere Weise Stimmung gegen die nichtbestätigten AAG-Vorstände gemacht zu haben. Ein Bericht nach der Jahresversammlung an die Mitglieder einer anthroposophischen Landesgesellschaft sprach ohne weitere Erläuterung von der „unwürdigen“ Weise, in der an der Generalversammlung vorgegangen worden sei, damit die beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder nicht bestätigt würden. Selbst das Wort Verschwörung war zu hören.
Kein Richtungsstreit
Worum es deutlich nicht ging war ein neuer Streit um die Konstitution oder Gesamtausrichtung der AAG, wie schon mal um die Jahrtausendwende und in den Nullerjahren, als die Gesellschaft durch das Vorgehen einer lautstarken Splittergruppe intern im Konflik stand, der auch gerichtlich ausgetragen wurde und mit dem Ausschluss der Mitglieder der Gruppe endete. Sowohl Paul Mackay als auch Bodo von Plato waren in ihrer Amtszeit bestrebt gewesen, der Dornacher Weltgesellschaft eine weltoffene Ausrichtung zu geben ohne Berührungsängste mit anderen Richtungen – ja, die den Kontakt mit anderen zivilgesellschaftlichen Kräften aktiv suchte.
Hier ging es um die Erfolgsbilanz der beiden Vorstände in den vergangenen sieben Jahren und ob von ihnen in den nächsten sieben Jahren der Wandel für die Zukunft ausgehen würde. Deshalb sind auch die Gründe diffus und für die beiden Vorstände unterschiedlich, warum Mackay und von Plato nicht bestätigt wurden. Da gibt es das von manchen heftig kritisierte große Faust-Projekt, die Neuausrichtung der Wochenschrift und Publizistik am Goetheanum, aber auch die schwierige Finanzlage, für die Paul Mackay und Bodo von Plato verantwortlich gemacht wurden. Es ist in dieser Hinsicht bezeichnend, das der den heftigen Defizit darstellende Finanzbericht von Justus Wittich mit großer Mehrheit von der Jahresversammlung angenommen wurde. Auf einer anderen Ebene gab es auch das Gefühl eines fehlenden Hinhörens auf andere, einer fehlende Wahrnehmung anderer Stimmen.
Einseitige Beschuldigung
Es ist jedoch viel zu kurz gegriffen, um nicht zu sagen einseitig, dieses für die meisten unerwartete Ergebnis hauptsächlich dem schweizer Landesverband und seinem Vorstand in die Schuhe schieben, wie es z.B. die Solothurner Zeitung unter der Überschrift „Aufstand der Hardliner“ machte. In einer in der neuesten Ausgabe der Schweizer Mitteilungen am Freitag veröffentlichten Stellungnahme verwehrt sich der schweizer Vorstand ausdrücklich gegen die „einseitige und sachlich falsche Deutung eines Abstimmungsergebnisses“ und die Beschuldigung, unter seinen Mitgliedern Stimmung gegen die Bestätigung von Mackay und von Plato gemacht zu haben: „Wir sind mit unserer Auffassung zur Frage einer erneuten, ausgedehnten Mandatsverlängerung bewusst nicht an unsere Schweizer Mitglieder herangetreten, weil wir als Vorstände persönlich befragt wurden – und keinesfalls für die gesamte Mitgliedschaft sprechen können und wollen, in der selbstverständlich verschiedene Erfahrungen, Auffassungen und Hoffnungen leben,“ heißt es dort.
Aus schweizer Kreisen ist die Enttäuschung deutlich zu spüren darüber, wie der Vorstand der schweizer Landesgesellschaft öffentlich zum Sündenbock für die Entscheidung gegen Paul Mackay und Bodo von Plato gemacht worden ist, was damit anfing, dass eine von ihm auf Anfrage verfasste interne Stellungnahme von anderer Seite veröffentlicht wurde. Wie verlautet, wurden im Kreis der Generalsekretäre der Landesgesellschaften auch von mehreren anderen Bedenken gegen die Wiederbestätigung geäußert. Ein Vorschlag, z.B. die Amtszeit der beiden zur Bestätigung stehenden AAG-Vorstandmitglieder auf drei anstatt sieben Jahre zu beschränken wurde abgelehnt, doch hätte ein solcher Kompromiss möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt.
Nicht nur die Schweizer
Auch wird bestritten, dass es die in der Umgebung des Goetheanums lebenden Schweizer waren, die mehrheitlich gegen Mackay und von Plato gestimmt hätten. Die Teilnehmer der Generalversammlung seien laut Stellungnahme des schweizer Vorstands „mit hohem persönlichem Engagement aus vielen Ländern angereist“, es sei keineswegs „eine schweizerische Tagung“ gewesen. Diese anwesenden und urteilsfähigen Mitglieder aber bildeten die Basis der Gesellschaft. „Wenn man sagt, das sind nur die Schweizer gewesen, ist das nicht so. Die meisten Gegenstimmen kamen nicht aus der Schweiz,“ war auch anderweitig von Schweizer Seite zu hören. Heftige Kritik war auch von Mitgliedern aus den Niederlanden, Italien und Frankreich geäußert worden. Ebenso kamen aus Deutschland Mitglieder angereist. Außerdem habe das Goetheanum ein hohe Akzeptanz in der Schweiz.
Auf der anderen Seite war der schweizer Vorstand nicht der einzige, ein aus dem Kreis kommendes Begehren abzulehnen, die Generalsekretäre der anthroposophischen Landesgesellschaften sollten sich auf der Generalversammlung geschlossen hinter Paul Mackay und Bodo von Plato stellen, weil es solche Einigkeit nicht gab: „Es ist im Vorfeld der Generalversammlung deutlich geworden, dass sich die Führungsgremien der Gesellschaft und Hochschule insgesamt auf weitere sieben Jahre für Paul Mackay und Bodo von Plato verständigten und diesbezügliche Bedenken Einzelner zurückgestellt wurden. Dies wurde auf der Versammlung auch sehr deutlich artikuliert,“ so die Stellungnahme.
Kritik gab es auch an der emotionalen und wenig sachlichen Argumentation, die ins persönliche überschwappte. Der schweizer Vorstand hat mit seinem versuchten öffentlichen Schweigen bewusst davon Abstand nehmen wollen. „Das heisst jedoch nicht, dass wir mit allem einverstanden sind und notwendigerweise einverstanden sein müssen, und wir erachten einen eigenständig-kritischen Dialog in schwierigen Fragen als die Hilfe, die das Goetheanum gegenwärtig braucht,” schreibt er. Mit einer bedingungslosen Loyalität, die in ständiger Sorge vor einem drohenden Harmonieverlust oder einer „Spaltung“ erstarre – schon Rudolf Steiner habe sich diesbezüglich viel mehr Wachheit und Mitverantwortung gewünschte, „mehr Individualität und weniger Gruppenzwang oder Kollektiv“.
Nächste Schritte
Wie geht es nun weiter? Laut Mitteilung des Goetheanums sollen die Paul Mackay beziehungsweise Bodo von Plato übertragenen Aufgaben und Mandate im Haus, in Projekten, für Tagungen und Arbeitszusammenhänge bestehen bleiben bis zur Klausur der Goetheanum-Leitung am 11. und 12. Juni 2018 und werden dann im Rahmen einer Neuordnung aller Mandatierungen neu vergeben.
In der Zwischenzeit will die Goetheanum-Leitung – gebildet von den Mitgliedern des Vorstands am Goetheanum und den Sektionsleitenden der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft – bis zur Klausur im Juni das Abstimmungsergebnis analysieren, beraten und weitere Entscheidungen vorbereiten. Insbesondere sollen den Fragen nachgegangen werden: Welche Fehler und Versäumnisse hat die Goetheanum-Leitung gemacht? Welche Entwicklungen hat sie nicht richtig eingeschätzt? Wo liegen Defizite in der Verständigung mit den Mitgliedern? Wo waren Prozesse nicht nachvollziehbar? Ziel sei es, zukunftsfähige Perspektiven für die Anthroposophie in der Welt und am Goetheanum zu entwickeln und möglichst alle Mitglieder zu integrieren.
Lobenswerte Ziele und vielleicht auch Anerkennung, dass in demokratischen Prozessen, wenn sie mal eingeführt worden sind, nichts vorausgesetz werden sollte. Deshalb überrascht auch etwas die in manchen Fällen äußerst emotionale Reaktion auf die Nichtbestätigung.
Informationsdefizit
Es bleibt jedoch auch die Frage nach dem Informationsdefizit der Mitglieder, die nicht zur Jahresversammlung kommen konnten. Ließt man was so dazu mitgeteilt worde ist, auch in Berichten an die Mitglieder von Landesgesellschaften, würde man meinen, dass die Bestätigung von Paul Mackay und Bodo von Plato das einzige Thema war. Kein Wort z.B. über den Bericht von Schatzmeister Justus Wittich über das millionenschwere Loch in den Goetheanum-Finanzen – wohl ein genau so wichtiges Thema.
END/nna/cva
Bericht-Nr.: 180430-02DE Datum: 30. April 2018
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