Nachrichtenbeitrag

Muslimische Seelsorger sollen präventiv tätig werden

 | 
Von NNA Mitarbeiter

MANNHEIM (NNA) – Durch eine gezielte präventive Arbeit sollen junge Muslime in Deutschland davon abgehalten werden, sich radikalen islamistischen Gruppen anzuschließen. In Mannheim werden jetzt 45 türkisch- und arabischsprachige islamische Seelsorgerinnen und Seelsorger für diese Aufgabe qualifiziert.

Der Salafismus stelle derzeit eine der dynamischsten und am schnellsten wachsenden islamistischen Bewegungen in Deutschland dar, die insbesondere orientierungslose Jugendliche anspricht. „Expertinnen und Experten sind sich darin einig, dass gezielte Präventionsarbeit sehr wichtig ist, um die Botschaften radikaler Islamisten zu entzaubern“, betont Alfred Miess vom Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e. V.

Das Mannheimer Institut hat jetzt mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg eine Fortbildungsmaßnahme auf den Weg gebracht „Prävention – Antikriminalisierung und Antiradikalisierung.“ Sie soll in bis einschließlich Juli 2016 durchgeführt werden.

Gezielte Unterstützung

Für die Ausbildungsmaßnahme, die an mehreren Wochenenden stattfindet, seien namhafte Referentinnen und Referenten des Justizministeriums, des Landeskriminalamts, sowie weitere Expertinnen und Experten aus den Bereichen Polizeiarbeit, Medizin, Psychologie, Theologie und Seelsorge gewonnen worden, heißt es dazu auf der Homepage des Instituts.

Die Seelsorger sollen künftig gezielt Jugendliche und hilfesuchende Eltern unterstützen. „Die kulturelle ‚Zweisprachigkeit‘ der im Bereich Prävention aktiven Seelsorgerinnen und Seelsorger ist ein klarer Vorteil, da sie über kulturspezifisches und theologisches Fachwissen verfügen“, so Miess. In Arbeitsgruppen, Tagungen und durch die Vernetzung mit regionalen Aktivitäten sollen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Präventionskurses Antworten auf folgende – für Jugendliche typische – Fragen erarbeiten: Wer bin ich? Wie will ich sein? Wo will ich hin? Warum ist die Welt manchmal „ungerecht“?

Miess: „Wenn Salafisten die vermeintliche Unmoral und den Individualismus westlicher Gesellschaften anprangern, benötigen ihre potenziellen Zielgruppen die besseren Argumente, damit sie sich nicht von Scheinargumenten blenden lassen.“

Die islamischen Seelsorgerinnen und Seelsorger, die bereits eine Ausbildung im Bereich der islamischen Krankenhausseelsorge absolviert haben, lernen in der Zusatzausbildung „Prävention“ mit gefährdeten Personen wie auch hilfesuchenden Angehörigen oder Freunden angemessen umzugehen und z. B. in Schulen, Vereinen und anderen Organisationen – eingebettet in örtliche Netzwerke – bei der Aufklärungsarbeit mitzuwirken.

Ziel soll sein, stereotype Feindbilder zu hinterfragen und typische Argumentationsmuster der Extremisten zu entlarven. „Nur durch eine gezielte Auseinandersetzung mit salafistischen Denkstrukturen können diese ‚entidealisiert‘ und Jugendliche vor einer Radikalisierung besser geschützt werden“, sagte Miess.

Authentische Darstellung

Wie schon die Beratungen beim 7. Runden Tisch Islam Baden-Württemberg im Oktober 2014 gezeigt hätten, sind es Miess zufolge eher religionsferne Jugendliche und junge Erwachsene, die sich von der Gewalt verherrlichenden Weltsicht der Salafisten radikalisieren lassen. Die besondere Anziehungskraft der radikalen Islamisten rühre auch daher, dass sie ihre Anhänger davon befreiten, selbst die Verantwortung für ein selbstbestimmtes Leben zu übernehmen. Genau hier setzt die Zusatzausbildung „Prävention – Antikriminalisierung und Antiradikalisierung“ an.

Wichtig sei auch eine möglichst authentische Darstellung der realen Zustände in den Kampf- und Krisengebieten in Syrien, Libyen oder dem Irak, um Jugendliche davon abzuhalten, sich in die Dienste islamistischer Terrorgruppen zu begeben.

Talat Kamran, der Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog, ist im Juli diesen Jahres für seinen Einsatz zur Einrichtung von Kursen für muslimische Klinikseelsorger mit dem Pax-Bank-Preis ausgezeichnet worden, mit dem die Kirchenbank alljährlich hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet des interkulturellen und interreligiösen Dialogs auszeichnet.

Einzigartiges Projekt

Das Projekt der Ausbildung von muslimischen Seelsorgern am Institut für Integration und interreligiösen Dialog ist ein deutschlandweit einzigartiges Projekt, das das Institut in Kooperation mit den christlichen Kirchen sowie staatlichen Trägern durchführt. Zunächst werden die islamischen Seelsorger für den Einsatz in Krankenhäusern ausgebildet, Altenheime und Strafanstalaten sollen folgen.

Über vier Millionen BürgerInnen in Deutschland sind Muslime. Im Fall einer schweren Krankheit oder eines Unfalls blieben sie fast immer ohne seelsorgerische Begleitung, schreibt das Institut auf seiner Homepage. In krisenhaften Situationen fehle ihnen die Begleitung durch islamische Seelsorgerinnen und Seelsorger, die ihre Sprache sprechen und ihren kulturellen und religionsspezifischen Hintergrund verinnerlicht haben. Dies soll sich in Baden-Württemberg nun durch die Ausbildung der Klinikseelsorger ändern.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 151218-05DE Datum: 18. Dezember 2015

© 2015 News Network Anthroposophy Limited (NNA). Alle Rechte vorbehalten.

Zurück
Talat Kamran, der Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog, ist für seinen Einsatz für muslimische Klinikseelsorger mit dem Pax-Bank-Preis ausgezeichnet worden.