Nachrichtenbeitrag

Meditation als ein Weg zur Selbstbestimmung

 | 
Von NNA-Korrespondentin Edith-Willer-Kurtz

Die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland veranstaltete ihre Jahrestagung zum Thema „Meditative bewusst sein“. NNA-Korrespondentin Edith-Willer-Kurtz nahm daran teil.

HAMBURG (NNA) – „Meditativ bewusst sein“ war der Titel der öffentlichen Jahrestagung der Anthroposophischen Gesellschaft In Deutschland im Juni in Hamburg. 330 Gäste waren zur Tagung ins Rudolf Steiner Haus nach Hamburg gekommen, Vorträge, Arbeitsgruppen und viele künstlerische Darbietungen wechselten im Programm.

Was speziell ist anthroposophische Meditation? „Besitzer im eigenen Haus zu werden“ – so drückte Hartwig Schiller bildhaft das Thema aus, Besitzer seiner Selbst mit allem, was das menschliche Wesen umfasst, einschließlich der geistigen Willens- und Seelenbereiche. Wer Besitzer seiner Selbst sein wolle, dem gehe es um Selbstbestimmung, um Selbstbeherrschung und um Selbstverwirklichung, erläuterte der langjährige Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft.

Die Selbstbestimmung, so führte Schiller aus, beinhalte den Umgang mit Rechten, dem Recht auf Berufswahl zum Beispiel, womit man sich verbinde und worauf man verzichte, man bestimme den eigenen Kurs also bis hin zur Gesundheit. Erweitert um die Selbsterkenntnisse sollten diese auch Welterkenntnisse werden, betonte Schiller.

Bei der Selbstbeherrschung kommt auch die Aufgabe hinzu, Raum zu geben für den Mitmenschen, wenn Selbstverwirklichung nicht egoistisch sein solle. Man verwirkliche sich selbst etwa in einem Rückblick auf eine Situation, der nicht das Unangenehme auslasse. Dabei komme die Frage auf: „Wann bin ich ganz ich selbst gewesen?“ Als moderne Frage formuliert, heiße sie „Wer bin ich?“ fasste Schiller zusammen. Dieses „Ich-Projekt“ bringe etwas in Erscheinung von „dem Ungeborenen, dem Keim von dem, was ich in mir trage, um ich selbst zu werden, ...weil ich mich am Du, und Du dich an mir, die Welt sich durch mich weiterentwickelt“ klärte Schiller auf.

Erkraften der Seele

Meditieren beschrieb er als ein inneres Erkraften der Seele.

Bei der Suche, das Sensorium dazu zu entwickeln, gehe es um ein Leben in der Wahrheit. Das Ich sei umzuwandeln in das wahre Schöne, um sich für die Wahrheit einzusetzen. Wirke dabei eine segnende Gebärde , d.h. Haltung zu dem, was um uns ist, "werde der Zukunftsmensch“ , schloss Schiller, der sich mit der Tagung auch aus seinem Amt als Generalsekretär verabschiedete.

Referentin Angelika Sandtmann berichtete aus der Lebenszeit Rudolf Steiners und dass das Denken damals angelehnt war an die deutsche Geistesgeschichte z.B. an Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814) nach dessen Philosophie sich die Seele durch ein schöpferisches Element weiterentwickelt.

Vor diesem Hintergrund entstanden die wesentlichen Werke und Aufsätze von Steiner, die er für die Öffentlichkeit geschrieben hat. 1912 veröffentlichte Steiner seinen „Seelenkalender“. Aus diesen umfassenden Werken könnten wir heute noch schöpfen, so Sandtmann.

Die von Steiner empfohlenen Übungen seien geeignet, sich in den Strom des Geistigen einzuleben. Die Übungen hätten auch eine harmonisierende Wirkung auf die Seele.

Das Charakteristische des Anthroposophischen Schulungswegs, wie diese Entwicklung heute genannt wird, liegt nach Aussage von Sandtmann darin, eine Harmonie von Denken, Fühlen und Wollen zu erreichen. Steiner setze dabei auf die Freiheit und Eigenverantwortung des Schülers, der persönliche Lehrer trete zurück.

„Es schlummern in jeden Menschen Fähigkeiten, sich den geistigen Welten zu nähern“ äußerte Steiner und meinte auch vielfach: „Bitte prüfen Sie das am Leben, im Leben.“ Dies werde heute vielfach in die Tat umgesetzt , indem sich mehr Menschen austauschten über ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit diesem Schulungsweg. So komme es zu einer Einstellung, dass neu Erfahrenes als Wegweiser für Weiteres erlebt werde.

Friedenskräfte und Selbsterkenntnis

Steffen Hartmann nahm sich des Themas Frieden an „in uns und zwischen uns“ - und stellte die Frage, wie die Friedenskräfte in die Welt kommen. Hier müsse man sich fast eingestehen, dass für die Welt heute fast nichts möglich sei. Da die Seele durch Meditation immer sensibler werde, werde einem auch der Hass usw. immer bewusster. Er empfahl, mit Nüchternheit hinzuschauen und alles auszuhalten. Als erklärende Begebenheit diente die Geschichte eines Selbstmordattentäters, der von seiner Tat rechzeitig abgehalten werden konnte. Der 18jährige erzählte bei der Befragung zu seinen Motiven: Er habe gesehen, gehört und nicht vergessen werden wollen.

Referent Rolf Speckner sprach über die alte Mystik und die neuen Mysterien. Bei der Aufforderung „Oh Mensch, erkenne dich selbst!“ wies Speckner darauf hin, dass hier der Mensch Objekt und Subjekt zugleich sei. Man tauche ein in die seelische Beobachtung des Denkens und Fühlens.

Tom Tritschel referierte zum „Schwellenerlebnis der Gegenwart“, das darin bestehe, dass man sich nicht dem hingeben könne, was man wisse, vielmehr gehe es darum, Vertrauen zu haben zu dem, was wir jeden Tag neu lernen können, lernend zu arbeiten, arbeitend zu lernen...“ Arbeitend lernen war hier so gemeint, dass die Verhältnisse auf Erden einem so beschäftigen, dass neue Erscheinungen entstehen können.

Steffen Hartmann spielte in seiner „Künstlerisch-Meditativen Werkstatt“ – im großen Saal mit allen Teilnehmern – ein Musikstück von Bach in G-Moll. Die Zuhörer sollten erfühlen und zum Ausdruck bringen, wonach er fragte: Wie stimmt mich das Stück? Dabei weist er darauf hin, dass in der Versenkung, ob in Bilder, in Sätze oder in Musik Gefühle und Empfindungen erlebt werden. Es könne auch davon gesprochen werden, „wie wenn man sich davon bestimmen lässt“. Man könne einmal nachsinnen: Wo bin ich im Zuhören bei dem Musikstück gefühlsmäßig verortet, zum anderen werde während des Zuhörens die Seele durch das Bach G-Moll Stück gestimmt.

Arbeitsgruppen

In den Arbeitsgruppen fand sich dann ein kleinerer Teilnehmerkreis zusammen, das Mitteilen der Einzelnen wurde ein zusätzlicher Gewinn. Hier galt die Meditation erst der „Freude“. „Was war ein freudiger Moment und wie kann man das erlebte Gefühl beschreiben nach dem Nachsinnen?“, wurde gefragt. Danach wurden etliche unterschiedliche Gefühle benannt. Anschließend galt die Aufmerksamkeit dem Wort „Friede“. Festgestellt wurde dabei auch, dass diese beiden Worte Friede und Freude wie Geschwister sind. Sie bedingen einander, wechseln sich ab.

Eine weitere Arbeitsgruppe galt dem Thema: „Das Erwachen am anderen als gemeinsamer meditativer Transformationsprozess von Denken, Fühlen und Wollen“. Hier regte Herrmann König einen Dialogprozess an nach David Bohm. „Neues entsteht nur im Wir – besser noch, im Raum zwischen uns.“ Dort könne man so etwas wie „ein kreatives Feld, ein soziales Feld, einen Vertrauensraum“ in einer bestimmten inneren Haltung entstehen lassen.

In diesem Raum könne sich dann neues Wahrnehmen, neues Sehen und Hören ereignen, erklärte er zu den Übungen. Die Teilnehmer der Gruppe merkten allerdings, dass das nicht so schnell und leicht befriedigend erreicht wird. Wieder war die Frage: Was war für mich wesentlich in dem Prozess, was hat mich innerlich berührt, wo habe ich Neues wahrgenommen?

Andere Arbeitsgruppen hatten zum Thema: „Wesen und Erfahrungsformen des Hüters der Schwelle“, oder „Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen und der Achtgliedrige Pfad. Die Grundsteinmeditation Rudolf Steiners und ihr Urbild im Werk des Johannes“.

Künstlerische Vertiefung

Zwischen den Vorträgen und Arbeitsgruppen boten Aufführungen ein vertiefendes Erleben. Das Bühnenprogramm ‚“Mysterienszenen“ von Elmar Lampson (Musik) und Gioia Falk (Eurythmie) krönten die künstlerischen Darbietungen. In der Abendvorstellung ließen sie auch die „anderen Ebenen“ erahnen, wie Benjamin Kolass im Gespräch mit Generalsekretärin Gioia Falk die durch die Meditation möglichen Erfahrungen bezeichnete.

Michael Schmock wurde auf der Mitgliederversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft, die zeitgleich stattfand, zum neuen Generalsekretär bestimmt. Er tritt an die Seite von Goia Falk, die bereits bei der Mitgliederversammlung im Juni 2014 zur Generalsektärin ernannt worden war. (NNA berichtete.) Schmock kommt aus dem Arbeitszentrum Nordrhein-Westfalen und ist Jugendbeauftragter der Gesellschaft.

END/nna/wil

Bericht-Nr.: 160807-01DE Datum: 7. August 2016

© 2016 News Network Anthroposophy Limited (NNA). Alle Rechte vorbehalten.

Zurück