Nachrichtenbeitrag

Kirchen in Bayern fordern Aussetzung der Abschiebungen

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Von NNA Mitarbeiter

Die Kirchen in Bayern fordern, dass Abschiebungsflüge nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt werden. Abschiebungen seien in Zeiten der Pandemie unter humanitären Gesichtspunkten unverantwortlich.

MÜNCHEN/WIEN (NNA) – Nach der evangelischen Landeskirche hat jetzt auch die katholische Bischofskonferenz in Bayern die politisch Verantwortlichen aufgefordert, Abschiebeflüge nach Afghanistan bis auf weiteres auszusetzen. Der bayrische Flüchtlingsrat appellierte an die Landesregierung, die Abschiebungen zu stoppen, nachdem ihr von den Kirchen jetzt „die Leviten gelesen worden seien“.

Am 10. März ist ein Agenturberichten zufolge ein weiterer Abschiebeflug in Kabul eingetroffen – der 37. nach Aufnahme der Abschiebungen im Jahr 2016. An Bord sollen 26 Männer gewesen sein. Erstmals wurde der Airport Hannover als Abflugort genutzt, der mit einem Großaufgebot an Bundespolizei gesichert worden war.

„In Zeiten der Pandemie sind Abschiebungen unter humanitären Gesichtspunkten unverantwortlich“, heißt es in der Erklärung der katholischen Bischöfe. Die Situation in Afghanistan sei „sinnbildlich für den Zustand in anderen Entwicklungs- und Krisenländern dieser Welt“, die durch Abschiebung von Flüchtlingen noch weiter belastet würden.

Sie seien in viel stärkerem Ausmaß als Deutschland von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Dies gelte für die Wirtschaft wie auch das Gesundheitssystem. Die Verteilung von Impfstoffen sei in vielen dieser Länder „noch in unerreichbarer Ferne“.

Unverantwortbare Gefahr

Außerdem sei in Zeiten von Grenzschließungen und -kontrollen wegen der Verbreitung von Mutanten unnötiger Personenverkehr zu unterlassen. Die abgeschobenen Menschen würden einer unverantwortbaren Infektionsgefahr ausgesetzt, ebenso die deutschen Sicherheitskräfte, die die abzuschiebende Person begleiten, bzw. im Fall der Afghanistanabschiebungen auch das gesamte Personal des Flugzeugs.

Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedfort-Strohm hatte zuvor schon an die politisch Verantwortlichen appelliert, sich sehr genau anzuschauen, um welche Menschen es sich handele. Ehrenamtliche bemühten sich mit viel Engagement um die Integration von Geflüchteten, die jetzt um ihren Verbleib in Deutschland bangen müssten. Bei vielen von ihnen seien die Verfahren erst nach langer Prüfung negativ beschieden worden, in der Zwischenzeit hätten sie Deutsch gelernt, eine Arbeit gesucht und sich integriert. Eine andere Lage sei bei Geflüchteten gegeben, die straffällig geworden seien.

Die CSU solle sich „jetzt auf ihre christlichen Werte besinnen, an die sie von beiden Kirchen eindringlich erinnert wurde“ und die Abschiebungen stoppen, betonte Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Hochinzidenzgebiet Afghanistan

Eine Petition auf der Kampagnenplatform change.org weist darauf hin, dass Afghanistan vom Auswärtigen Amts am 31.1. 2021 als Hochinzidenzgebiet in der Coronapandemie eingestuft worden ist, d.h. als Gebiet mit einem besonders hohen Infektionsrisiko. Außerdem drohen – so die Reisewarnung des Auswärtigen Amts – im gesamten Land terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte einschließlich Entführungen. Die medizinische Versorgung werde in weiten Landesteilen als unzureichend bezeichnet, eine Notfallversorgung sei meist nicht existent.

Die Petition, die bisher von mehr als 111.000 Menschen unterzeichnet worden ist, weist daher darauf hin, eine Abschiebung von Menschen nach Afghanistan, nehme „deren Erkrankung und möglichen Tod billigend in Kauf“. Dies sei „mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht vereinbar“.

Faktisch waren alle Abschiebungen während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ausgesetzt worden, sowohl im Rahmen des Dublin-Abkommens als auch innerhalb Europas sowie weltweit. Im Sommer 2020 waren nur vereinzelt Abschiebungen erfolgt. Seit Dezember 2020 werden jedoch wieder regelmäßig Abschiebungen nach Afghanistan durchgeführt, bisher meist von Bayern aus.

Falsche Abschiebungen

Wie der Blog thruttig.wordpress.com unter Berufung auf Unterstützerkreise der Geflüchteten schreibt, sei die Beteiligung von sieben Bundesländern an der Abschiebung vom 10. März bestätigt: Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern. Nach Information des Flüchtlingsrates in Niedersachsen war auch dieses Bundesland an der Sammelabschiebung nach Kabul beteiligt.

Die zuständigen Behörden argumentieren damit, bei den abgeschobenen Geflüchteten handele sich um Straftäter. Wie Berichte z.B. des Magazins Panorama gezeigt haben, hält diese Angabe Recherchen jedoch oft nicht stand, gerade Bayern schiebe auch gut integrierte Geflüchtete ab.

Von den 69 Afghanen, die z.B. im Juli 2018 aus Bayern abgeschoben worden sind – am 69. Geburtstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich damals einen geschmacklosen Scherz dazu erlaubt hatte – sind nach der Recherche von Panorama mindestens vier wieder zurück in Deutschland – als legale Einwanderer mithilfe von Spenden deutscher Unterstützer.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 210328-02DE Datum: 28. März 2021

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Foto: www.fluechtlingsrat-bayern.de