Nachrichtenbeitrag

„Ich will nicht verehrt, ich will verstanden werden!“

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Von Peter Augustin

Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse ist ein neues Buch von NNA-Autor Wolfgang G. Vögele zu Rudolf Steiner erschienen. Diesmal hat Vögele, dessen Band „Der andere Steiner“ bereits mehrere Auflagen erfahren hat und zum Standardwerk für den „Fremdblick“ seiner Zeitgenossen auf den Begründer der Anthroposophie avanciert ist, Anektoden rund um Steiner herausgegeben. Peter Augustin hat sich das Buch „Sie Mensch von einem Menschen! – Rudolf Steiner in Anektoden – für NNA angesehen.

Basel (NNA) – Ein fast lächelnder Rudolf Steiner ist auf dem Cover des Büchleins abgebildet. Es ist eine der wenigen Fotografien, auf der Steiner nicht – typisch für seine Zeit – mit ernstem Gesicht dargestellt wird. Dreht man das Buch um, liest man ein kleines Bonmot, das Lust auf mehr macht: „Unterwegs am Dornacher Hügel hielt Steiner plötzlich – und erklärte seinem Begleiter: ‚Ich muss doch die Steinchen aus meinem Schuh heraustun, sonst hinkt morgen ganz Dornach‘“.

Diese beiden ersten Eindrücke werden zumindest durch einen Teil des Buches bestätigt. Viele Anekdoten machen den Leser mit einem humorvollen, feinfühligen und selbstironischen Steiner bekannt, der über den anthroposophischen Habitus, vor allem aber auch über sich selbst lachen kann. Der Leser lernt einen begnadeten Witze-Erzähler kennen. Steiner stellt sich keineswegs als unfehlbar dar, gibt eigene Unzulänglichkeiten wie beispielsweise Zerstreutheit freimütig zu. In vielen Anekdoten wird er als „Macher“ erlebt, der nicht „abgehoben“ ist, sondern mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Köstlich und teilweise skurril sind die Schilderungen rund um das Thema Essen und Ernährung.

Das Buch zeigt aber auch ein gerüttelt Maß an Verzweiflung bei dem Begründer der Anthroposophie. Diese Verzweiflung packt Steiner nicht etwa bei den vielen Anfeindungen von außen, sondern bei der Auseinandersetzung mit den Anthroposophen selbst. Manchmal rettet ihn sein Humor: „Was wollen Sie, ich muss doch auch mit diesen Leuten auskommen“, antwortet Steiner, als ein junger Anthroposoph sich scherzend über andere Mitglieder beklagt. An anderer Stelle wird es ernster. Ein Zeitgenosse schildert eine kritische Situation bei einer Versammlung. Ein Mitglied will die unangenehme Stille durchbrechen und stammelt, dass „der Herr Doktor“ doch von allen hochverehrt werde. „Da schoss schon Rudolf Steiner hoch und rief mit einer Stimme, die von Zorn, ja von Verzweiflung schwang: ‚Ich will nicht verehrt werden! Ich will verstanden werden!‘“.

Der vorliegende Band trägt zu einem besseren Verständnis des Menschen Rudolf Steiner bei. Hilfreich dabei ist, dass die Anekdoten nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet sind. Der Herausgeber hat in 180 Seiten Taschenbuch nicht nur die bereits aus anderen Quellen bekannten Geschichten versammelt, sondern präsentiert auch bisher Unveröffentlichtes. Damit ist Wolfgang Vögele sein Vorhaben auch gelungen. Denn Ziel der Anekdotensammlung ist es, neben die breit gewürdigte Lebensleistung Steiners und die Popularität der „angewandten“ Anthroposophie die Privatperson, den Menschen zu stellen. „Rudolf Steiner gehört nicht den Anthroposophen allein“, zitiert Vögele den Direktor des Wolfsburger Kunstmuseums Markus Brüderlin. Brüderlin ging bei der Eröffnung der großen Steiner-Ausstellungen aber noch weiter. Er sagte, dass er „Steiner vom Sockel herunterhelfen“ wolle. Diesem Zweck dient auch das Buch. Denn wenn etwas deutlich wird durch die Berichte der Augen- und Ohrenzeugen, dann ist es die Gewissheit, dass Steiner auf keinen Sockel gestellt werden wollte.

END/nna/aug

Wolfgang G.Vögele (Hrsg.), Sie Mensch von einem Menschen! Rudolf Steiner in Anekdoten, Futurum Verlag 2012. 

Bericht-Nr.: 121202-01DE Datum: 2. Dezember 2012

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