Nachrichtenbeitrag

„Grenzen schließen für Gewehre und Munition aus Deutschland“

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Von NNA-Korrespondent Jan Herzog

Das Aktionsbündnis „Aufschrei gegen Waffenhandel“ hat auf den Zusammenhang zwischen Flüchtlingswelle und Waffenexporten hingewiesen. Der Hamburger Hafen sei Drehscheibe des Rüstungsgeschäfts.

HAMBURG/BERLIN (NNA) – Auf den Zusammenhang zwischen Fluchtursachen und Waffenexporten aus Deutschland weist das Bündnis „Aufschrei gegen Waffenhandel“ hin, dem 100 Organisationen der Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit angehören.

Die Fachleute der Aktion schätzen, dass weltweit alle 14 Minuten ein Mensch durch Kugeln aus einer Waffe eines deutschen Herstellers getötet wird.

Die „Hamburger Friedenskonferenz 2016“ Anfang November setzt sich daher für einen „Paradigmenwechsel von einer Sicherheits- zu einer Friedenslogik“ ein. Die Initiative in Hamburg hatte sich 2014 gegründet, weil die Mehrzahl der Rüstungsexporte Deutschland über den Hamburger Hafen verlässt. Er sei zu einer „Drehscheibe des internationalen Waffenhandels“ geworden, heißt es im Aufruf zur Friedenskonferenz. Das Hamburger Abendblatt geht davon aus, dass monatlich 1000 Tonnen Munition im Hafen umgeschlagen werden. (Abendblatt vom 9.4.2014)

Genaue Zahlen über das ganze Ausmaß der Waffenexporte gibt es nicht, weil das Gefahrgutinformationssystem (GEGIS) des Hafens lediglich Drei-Monats-Zeiträume umfasst. In drei Monaten wurden zum Beispiel 230 Container mit Patronen und Raketen gezählt, wie aus einer Kleinen Anfrage der Linkspartei an den Hamburger Senat im Jahr 2014 hervorgeht.

Die Anlage des Senats beschreibt die Munition in den Containern: 5.672 Patronen für Handfeuerwaffen, verschifft in acht Containern, Wasserbomben, Raketen sowie Torpedos – die Anlage lese sich „wie ein Katalog für Waffenhändler“, betont die Hamburger Initiative. „Jede Waffe findet ihren Krieg. Damit ist Hamburg das Tor zum Tod in der Welt“, meinte der Hamburger Bundestagsbgeordneten Jan van Aken (Die Linke) gegenüber der Zeitschrift „Die Welt“.

Eine Lieferung mit Panzerteilen für Ägypten konnte im April 2014 durch den Zoll im Hamburger Hafen gestoppt und sichergestellt werden. Wegen der Eskalation der Gewalt und dem Einsatz von Panzern gegen Demonstranten hatten die EU-Außenminister im Herbst 2013 beschlossen, dass aus Europa keine Waffen mehr nach Ägypten geliefert werden dürfen.

Kosovo, Albanien, Serbien, und Mazedonien seien genau wie Syrien, Afghanistan, Pakistan und der Irak nicht nur Hauptherkunftsländer der in Deutschland Asyl suchenden Menschen, sondern auch – seit Jahren – Empfängerländer deutscher Waffen, schreibt die Organisation pax-christi, die einer der Träger der Aktion „Aufschrei gegen Waffenhandel ist“.

Kleinwaffen

Die Gesamtexporte summierten sich mittlerweile auf ein Volumen von rund 848 Millionen Euro. Zu 99,7% betrafen die Exporte Kleinwaffen. „Niemand kann sagen, wo sich diese Waffen heute befinden, doch wenn Flüchtlinge aus diesen Ländern nach Deutschland kommen, ist dies ein Indiz dafür, dass die Waffenexporte den Frieden nicht gefördert haben“, betont die Initiative.

Auch Ex-UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wies 2015 auf die unheilvolle Rolle der Kleinwaffen hin: Von den 250 bewaffneten Konflikten, von denen die Welt derzeit heimgesucht werden, gleiche keiner dem andern, gemeinsam sei ihnen jedoch die hohe Verfügbarkeit von Kleinwaffen und der dazugehörigen Munition, zitiert die Initiative Ban Ki-moon.

Deutschland steht mit seinen Waffenexporten an vierter Stelle in der Welt nach USA, Russland und China, bei den Kleinfeuerwaffen sogar an zweiter Stelle hinter den USA .Im Jahr 2014 wurden 60% aller Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus Deutschland für Länder außerhalb der NATO und der Europäischen Union erteilt.

Zu den Empfängern zählten Diktaturen und autoritäre Regime in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa, die „Menschenrechte mit Füßen treten“, betont die Aktion „Aufschrei gegen Waffenhandel“.

Auch der 2015 verstorbene Altbundeskanzler Helmut Schmid hatte zu seinem 95.Geburtstag im Dezember 2013 an die Bundesregierung appelliert, den Export von Gewehren und Panzern in unsichere Regionen endlich zu stoppen. „ Es ist an der Zeit, Einspruch zu erheben“, schrieb Schmidt in der von ihm herausgegebenen Wochenzeitschrift DIE ZEIT und forderte eine Veröffentlichung der Exportanträge, die der Bundessicherheitsrat genehmigt.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht neue Regeln für Transparenz bei Waffenexporten und eine stärkere Kontrolle des Parlaments vor. Nach den politischen Grundsätzen der Bundesregierung werden Waffenexporte nur dann genehmigt, wenn „keine Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung verwendet werden.“

Das Volumen der Einzelgenehmigungen für Exporte ist 2015 auf 7,86 Millionen EUR gestiegen und hat sich im Vergleich zum Vorjahr damit fast verdoppelt.

„Besonders sensible Rüstungsgüter“

Auch die Bundesregierung sieht in Kleinwaffen „besonders sensible Rüstungsgüter“, da diese in  „inneren und grenzüberschreitenden Konflikten zu den meisten Opfern führen und leichter von Kriminellen missbraucht werden können“.

Der Anstieg der Genehmigungszahlen allein erlaubt aus der Sicht der Bundesregierung jedoch keinen Rückschluss auf die Ausrichtung der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung, „da auch einzelne Großaufträge regelmäßig zu Schwankungen der Genehmigungswerte führen“, heißt es in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Rüstungsexportbericht 2015.

Bei den Kleinwaffen wird darauf hingewiesen, dass der Gesamtwert der Genehmigungen „erheblich zurückgegangen“ sei mit einem Wert für Kleinwaffen im Jahr 2015 von 32,4 Mio. Euro, dies entspreche einem Rückgang um fast 15 Mio. Euro im Vergleich zu 2104 und bedeute damit zugleich „den geringsten Genehmigungswert seit 15 Jahren.“

Hauptnutznießer beim Handel mit Waffen unter den deutschen Bundesländern ist Bayern, rund 25% werden von Unternehmen mit Sitz dort exportiert. München ist eines der Zentren der deutschen Rüstungsindustrie, die Kampagne gegen Rüstungsexporte hat dazu einen Rüstungsatlas München herausgegeben.

Die Aktion „Aufschrei gegen Waffenhandel“ weist darauf hin, dass Rüstungsexporte für deutsche Unternehmen zwar „äußerst profitabel“ sind, Arbeitsplätze durch sie jedoch kaum gesichert würden, da nur 0,2% der Beschäftigten in Deutschland in der Rüstungsindustrie arbeiten.

Exportstopp

Die Initiative fordert ein Ende des „Geschäfts mit dem Tod“ und einen grundsätzlichen Stopp des Exports von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus Deutschland. Als Schritte auf dieses Ziel hin werden angegeben: Kein Export von Rüstungsgütern an menschenrechtsverletzende Staaten, ein Exportverbot für Kleinwaffen und Munition, keine Hermesbürgschafen für Rüstungsexporte und keine Lizenzvergabe zum Nachbau deutscher Kriegswaffen. Die Rüstungsindustrie soll auf nachhaltige zivile Produkte umgestellt werden im Sinn einer Rüstungskonversion.

Die Juristenorganisation ILANA hat außerdem als Reaktion auf die Vorgänge in der Türkei einen sofortigen Stopp aller Waffen- und Rüstungslieferungen an das Erdogan-Regime gefordert. ILANA ist die Abkürzung für JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen und für eine gewaltfreie Friedensgestaltung, die Organisation gehört zu den Trägern der Initiative „Aufschrei gegen Waffenhandel“.

Die deutsche Waffenindustrie profitiert auch von der aktuellen Terrorbedrohung. So rechnet der Gewehr- und Pistolenhersteller Sig Sauer Medienberichten zufolge mit Großaufträgen durch 20 zusätzliche Ausschreibungen der Polizei und anderer Behörden für Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehren.

Der Waffenhersteller mit Sitz in Eckernförde in Schleswig-Holstein war in den vergangenen Jahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz ins Visier der Behörden geraten. Der Vorwurf lautete „Lieferung von Waffen in Krisengebiete“.

END/nna/jh

Quellen: Siehe Links

Bericht-Nr.: 161018-04DE Datum: 18. Oktober 2016

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Foto: Annette Rausch Pax Christi