Nachrichtenbeitrag

„Gleichzeitig bei sich und in der Welt sein können“

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Von NNA-Korrespondentin Edith Willer-Kurtz

ALFTER (NNA) - Ist es möglich, dass soziale Substanz durch Bewegung gebildet wird? Das war die zentrale Frage des Symposions der Alanus Hochschule in Alfter zum Thema „Eurythmie in sozialen Arbeitsfeldern“. Anwesend waren neben Studenten und Referenten auch Eurythmisten/innen, die in Arbeitsfeldern soziale Eurythmie praktizieren.

 

Ein Blick auf die Gesellschaft und auf die Eurythmie im begonnen dritten Jahrtausend zeigte noch deutlicher, worum es geht, beginnt Werner Barfod sein Impulsreferat. Werner Barfod wurde im Jahr 2000 auf den Leitungsposten der Sektion für Redende und Musizierende Künste am Goetheanum berufen. Wie kann Eurythmie zur weiteren Entwicklung von Lebensprozessen beitragen? Gelingt es, mithilfe der von Rudolf Steiner entwickelten Bewegungskunst Beziehungsfähigkeit zu intensivieren und so die Gestaltung von sozialen Zusammenhängen zu fördern?

In Workshops wurden unterschiedliche Vorgehensweisen der Eurythmie präsentiert und praktiziert. Melaine MacDonald, zeigte künstlerische Eurythmie an einem Musikstück, das über Jahre eurythmisiert wurde. Wahrnehmbar wird ein Bewegen in der Musik und das Sichtbarmachen der Musik durch die Gebärden. So potenzieren sich Bewegung und Töne, die Beziehung zwischen den beiden gleicht einer Hochzeit.

Einen anderen Eindruck konnte man von der Eurythmie gewinnen, wenn sie im Arbeitsfeld einer großen Firma zum Einsatz kommt z.B. bei Tagungen als Abwechslung und Erfrischung zwischen langem Sitzen und Zuhören. Die Eurythmistin Elvira Menne demonstrierte dies anhand einer Tagung mit Ärzten und Apothekern, wo meist nur wenig Platz zur Verfügung stehe. Dazu waren die Teilnehmer des Symposions eingeladen mitzumachen. Sie erlebten, wie der Körper nach dieser Übung gelockert war, Zellen und Muskeln erwärmt und angeregt. So könne man mit wachem Geist und mehr Aufmerksamkeit den nächsten Vortrag hören, erklärte Menne. Ob als Prophylaxe oder auch als Ausgleich einseitiger Arbeitsprozesse - soziale Eurythmie kann neben Tagungs- und Seminarbegleitung zur Persönlichkeitsförderung dienen und somit zu beruflicher und persönlicher Qualifikation und zu sozialer Kompetenz beitragen. Die klassische Eurythmie wird dabei entsprechend den jeweiligen Bedingungen abgewandelt, das ging aus den gezeigten Beispielen hervor.

Eurythmistin Christi Heisterkamp dokumentierte beispielsweise den Nutzen der Eurythmie beim Sprachunterricht in Spanisch. Kleine Kinder lernten Worte, indem sie diese in Bewegung oder Gebärden zeigten. Heisterkamp berichtete auch überzeugend vom spirituellen Inhalt der Eurythmie. Dieser bewirke auch, dass die Kinder in diesen Stunden sehr aufmerksam seien.

Eurythmie im Sozialen erlebten die Teilnehmer bei gegenläufigem Bewegen in Kreisen, da ist aufeinander zu achten, soziales Verhalten wird bereits beim Bilden eines Kreises praktiziert. Der Kreis soll rund sein, der Abstand zu den Nachbarn gleichmäßig. Wie sinnvoll das als Übung in der Arbeitswelt sein kann, vermittelte Hannah Hartenberg. Ist doch der globale Gedanke bei all dem Machtstreben heute noch ganz unterentwickelt, so dass gerade da Eurythmie gute Dienste leisten kann. Rebecca Ristow konnte das bekräftigen und berichtete vom BWL-Studium an der Alanus Hochschule, zu dem auch das Modul Eurythmie gehört.

Werner Barfod referierte mit dem Thema „Sozial-künstlerische Arbeitsweise in der Eurythmie im 21. Jahrhundert“: Die Menschheit sei jetzt verantwortlich für die Gesamtheit, für die Erde, auch wenn sie das noch gar nicht für selbstverständlich halte. Das intensive Bemühen um Nachhaltigkeit aber sei enorm gewachsen, beschrieb er die gegenwärtige Situation. Diese Gedanken setzte er in Beziehung zur Eurythmie. Er charakterisierte den Tanz als eine Bewegung, deren Zentrum im Umkreis liege. Das Fühlen gehe dabei vom Inneren in den Umkreis und zurück. Der aufrechte Mensch habe unten den Bezug zur Erde als festen Widerstand, von oben wirke die Freiheit als klare Umgebung, als Licht. Die Gebärde der Arme in der Eurythmie könne Luft und Wasser entsprechen. Alles sei schließlich durchzogen von Wärme. So bilde der aufrechte Mensch die Grundlage - umgeben von den vier Elementen.

Die Menschheit sei nur als Ganzes in der Lage, die Zukunft zu gestalten, betonte Barfod. Dazu zählten auch Begegnung, Austausch und gegenseitige Hilfe, ebenso Mut, Vertrauen und Durchhaltevermögen. Er verstehe darunter: Gratwanderung als Grenzgänger und ergänzte, dass für Rudolf Steiner die Charakteristik der mitteleuropäischen Spiritualität in einer Stärkung der Gesundheitskräfte und der Empathie des Wahrnehmens liege. Letzteres bedeute, gleichzeitig bei sich und in der Welt sein zu können. Grundsätzliches arbeite da in allen Schichten der Eurythmie.

Wolf-Ulrich Klünker ging dann speziell auf den Begriff der Substanzbildung ein. Er ist Begründer der DELOS-Forschungsstelle für anthroposophische Seelenwissenschaft (Psychotherapieforschung); seit Anfang 1996 leitet er die Turmalin-Stiftung in Bliestorf (Heilpädagogik). Eurythmie sei einerseits repräsentiert, identifiziert in der historischen Person. Nur bestehe ein Unterschied zwischen „etwas fortsetzen oder daran anzuknüpfen“. Beispielhaft sei dies bei Thomas von Aquin und Rudolf Steiner. Steiner habe nicht Thomas von Aquin fortgesetzt, sondern einen freien geistigen Schritt getan. Durch das Anknüpfen habe Entwicklung stattgefunden.

Auf die nächsten kleinen Schritte käme es jeweils an. Ein neuer kleiner Schritt werde gemacht und führe selbstaktiviert in die Zukunft. Erst danach käme der Bezug zur Vergangenheit. Individualisierte Schritte seien geistige Selbstaktivierung, wobei ein ätherischer Wirk- und Formzusammenhang entstünde. Es konstituiere sich etwas neu, eine Erlebnisschicht, die Zusammenhänge neu ordne; mit dem Ich-Zusammenhang entstehe substanziell Neues. So gelte es auch, die Eurythmie nicht zu fixieren seit 1925, sondern in Bezüge zu setzen. Man müsse realisieren, dass Ursächlichkeit nicht aus der Vergangenheit komme, sondern aus der Zukunft. Das eigentlich Neue, diese Substanzbildung käme dabei zustande als Erneuerungskraft.

Am Abend saß man eng aneinander, um Raum zu lassen für die Aufführung der GAIANNA, dem Eurythmieprojekt Ü50 mit über 50jährigen von Andrea Heidekorn. Amateurinnen und Eurythmisten/innen erarbeiteten gemeinsam „Gebärden des Weiblichen“ aus verschiedenen Kulturen: Empfangen, Ernähren, Geburt, Stärke und Wandlung wurden präsentiert.

So zeigte das Symposion, wie Eurythmisten/innen, die in sozialen Arbeitsfeldern tätig sind, Menschen aller Lebensalter und in unterschiedlichsten Situationen Eurythmie als Schulungsmittel zur Verfügung stellen. Für die Studenten weiten sich damit die Berufsaussichten, eine wichtige Station nach dem Studium ist meist eine Zeitlang die Waldorfschule. Insgesamt war das Symposion für die Teilnehmer so auch ein Austausch über Einsatzmöglichkeiten. Außerdem wurde deutlich, welche Impulse die Bewegungskunst in der heutigen Gesellschaft setzen kann. Wird Eurythmie sozial lebendig, dann werden Menschen nicht nur die vor 100 Jahren entwickelte Eurythmie künstlerisch gearbeitet auf der Bühne erleben können, sondern sie auch selbst leben.

END/nna/will

www.sozialeurythmie.net


www.alanus.edu

Bericht-Nr.: 120601-01DE Datum: 1. Juni 2012

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