Nachrichtenbeitrag
„Es sind nicht die Völker der Welt, die den Krieg wollen“
Der saarländische Politiker Oskar Lafontaine verabschiedet sich mit einer Rede zum Ukrainekrieg aus der Politik. Der russische Angriff auf die Ukraine müsse verurteilt werden, wie alle völkerrechtswidrigen Kriege. Auch warnte er vor atomarer Aufrüstung.
SAARBRÜCKEN (NNA) – Mit einer spektakulären Rede zum Ukrainekrieg vor dem saarländischen Landtag hat sich Oskar Lafontaine am 16. März aus seiner 50jährigen politischen Laufbahn verabschiedet.
Lafontaine gilt als einer der ungewöhnlichsten Politiker Deutschlands, er war Mitbegründer und Vorsitzender der Linkspartei, aus der er jetzt ausgetreten ist – ebenso wie aus der SPD, für die er als Wirtschaftsminister in den Jahren 1998/99 dem Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder angehört hatte. Er war Oberbürgermeister der Stadt Saarbrücken und Ministerpräsident des Saarlandes von 1985–1998. In den Medien wurde seine politische Laufbahn als „Achterbahnfahrt“ charakterisiert.
Lafontaines Rede zum Ukrainekrieg sei nachdenklich und ohne absolute Wahrheiten, kommentierte der Reporter des Saarländischen Rundfunks. Lafontaine habe Applaus von allen Parteien aus dem Landtagsplenum erhalten. Dies gelinge nicht jedem.
Lafontaine ging in seiner Rede von seiner eigenen Biografie und seiner Familiengeschichte aus und betonte, der Sinn des Sterbens für das eigene Land habe sich ihm nie erschlossen. Auch heute noch habe er Verständnis für Menschen, die den Kriegsdienst verweigerten. Sein Verhältnis zum Thema Krieg sei auch durch das Engagement seiner Generation gegen den Vietnamkrieg geprägt worden. Es stelle sich die Frage, wer eigentlich Krieg wolle, dies sei immer „eine Minderheit“. „Kein sibirischer Bauer will gegen einen ukrainischen Bauern kämpfen“, betonte er. „Es sind nicht die Völker der Welt, die Krieg wollen“, es gelinge zwar, wie das Beispiel des 1. Weltkriegs zeige, die Bevölkerung so zu beeinflussen, dass sie freudig in einen Krieg ziehe. Es stelle sich aber immer auch die Frage nach den Kriegszielen und wem sie nützen.
Lafontaine machte in seiner Rede das bestehende Wirtschaftssystem für die Entstehung von Kriegen verantwortlich. Er zitierte dabei Papst Franziskus mit dem Satz: „Diese Wirtschafts- und Eigentumsstrukturen töten“ und auch den sozialistischen Politiker Jean Jaures, der gesagt hatte, „der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“.
Völkerrechtswidrige Kriege
Lafontaine verurteilte den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, es müsse „alles dafür getan werden, dass die Waffen schweigen“. Er forderte aber auch, dass die internationale Gemeinschaft alle völkerrechtswidrigen Kriege mit gleichem moralischem Maßstab misst, alle für solche Kriege verantwortlichen müssten vor ein Strafgericht. Wenn hier nicht mit gleichem Maß gemessen werde, gebe es nie Frieden in der Welt.
Lafontaine wies auch darauf hin, dass der Satz aus der Theorie des Kriegs von Clausewitz „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“ im Atomwaffenzeitalter seine Gültigkeit verloren habe. Es mache ihn „fassungslos“, wenn in Diskussionen über den Einsatz von Atomwaffen spekuliert werde. Es überschreite das menschliche Vorstellungsvermögen, was ein nukleares Inferno bedeuten würde, betonte Lafontaine. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz ein Eingreifen der NATO in den Ukrainekrieg ausgeschlossen habe, sei keine Feigheit, sondern „Verantwortung gegenüber dem deutschen Volk, gegenüber Europa und der Menschheit“. Europa dürfe sich nicht in die Auseinandersetzung zwischen den Atommächten hineinziehen lassen.
Lafontaine, der sich auch langjährig in der deutschen Friedensbewegung engagiert hatte, forderte außerdem die Atommächte auf, den Atomwaffensperrvertrag endlich umzusetzen, wozu sie sich schon seit Jahrzehnten verpflichtet hätten. Er warnte auch davor, Raketensysteme mit kurzer Vorwarnzeit an den Grenzen von Atommächten zu stationieren: „Da ist viel zu riskant“. Auch digitale Steuerungen könnten versagen.
Lafontaine sprach sich außerdem für einen deutsch-französischen Bund und eine gemeinsame Verteidigungspolitik beider Staaten aus.
Erbe Europas bewahren
Es gelte, das Erbe Europas, seine Kultur zu bewahren. In diesem Zusammenhang wies er auch auf das christliche Gebot der Feindesliebe hin und kritisierte den Ausschluss russischer Künstler derzeit in Europa. Nicht alle Russen dürften zu Feinden erklärt werden, Partnerschaften zwischen den Städten und Austausch im Jugend- und Sportbereich hätten sich jahrzehntelang als wichtiger Beitrag zum Frieden bewährt. „Diesen Weg müssen wir weitergehen“, meinte Lafontaine. Es gebe auch ein „Russland nach Putin“. Lafontaine stellte auch die Frage danach, was wohl dem früheren russischen Staatschef Michail Gorbatschow derzeit durch den Kopf gehe, dem er immer mit Sympathie begegnet sei: „Sein Traum eines europäischen Hauses ist jetzt zerstört.“.
Der scheidende saarländische Politiker zitierte auch seinen „Ziehvater“ Willy Brandt, der Krieg als die „ultima irratio“ bezeichnet und gemeint hatte: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 280328-03DE Datum: 28. März 2022
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