Nachrichtenbeitrag
Der Klang des Widerständigen: Mikis Theodorakis zum 90. Geburtstag
MAINZ/ATHEN (NNA) – „Griechenland und wir, deine Freunde, brauchen in unseren Ohren dein Brüllen eines alten Löwen“, heißt es auf der Homepage von Mikis Theodorakis als Hommage an den legendären Komponisten und Politiker, der am 27. Juli in Athen seinen 90. Geburtstag gefeiert hat.
Die Musik zum Film „Alexis Sorbas“ machte Theodorakis über Nacht weltberühmt; durch sein unerschütterliches Engagement gegen Unrecht und Faschismus wurde der charismatische Künstler zur Symbolfigur der 68er Studentenbewegung in ganz Europa. Im aktuellen Konflikt um die Finanzkrise in Griechenland positionierte er sich gegen die Pläne der EU-Politiker.
Das ganze Leben von Mikis Theodorakis ist gekennzeichnet vom Eintreten für die Freiheit des griechischen Volkes, von Verfolgung und Existenzkampf. Offenkundig hat er aus dieser ungewöhnlichen Biografie aber auch die Kraft für sein kompositorisches Werk geschöpft. „In seiner Person greifen politische Ereignisse des 20. Jahrhunderts, individuelles Erleben und künstlerische Produktion in einzigartiger Weise ineinander“, schreibt der Mainzer Verlag Schott Music in einem Glückwunsch zum 90.Geburtstag des Komponisten.
Schott Music gehört zu den weltweit führenden Musik- und Medienverlagen, in seiner Edition Wergo für zeitgenössische Musik wurde jetzt eine neue CD mit den letzten Kompositionen von Theodorakis herausgebracht. Das gesamte Werk umfasst neben Opern, Balletten, Oratorien und Sinfonien, Solokonzerten, Kammer- und Filmmusik fast 1000 Lieder.
Widerstand und Musik
Der Komponist wurde am 29. Juli 1925 auf der griechischen Insel Chios im ägäischen Meer geboren. Er wuchs mit den griechischen Volksmusiken auf und lernte früh die byzantinische Liturgie kennen, so dass er bereits als Kind den Entschluss fasste, Komponist zu werden. Theodorakis studierte ab 1945 mit Unterbrechungen am Odeion in Athen bei Philoktitis Economidis. Sein Einsatz als Widerstandskämpfer zur Zeit der Besatzung Griechenlands durch deutsche, bulgarische und italienische Truppen führte dazu, dass er 1943 gefangen genommen und gefoltert wurde. Der Bürgerkrieg der Jahre 1947-1949 bedeutete für ihn abermals Folter und die Verbannung in die Strafkolonien Ikaria und Makronissos, wo er nur knapp überlebte.
Sein Studium konnte er dann 1954-1959 am Pariser Conservatoire bei Eugène Bigot und Olivier Messiaen fortsetzen. In den fünfziger Jahren feierte Theodorakis mit seinen Kompositionen erste Erfolge. Für seine Suite Nr. 1 wurde er 1957 mit der Goldmedaille des Kompositionswettbewerbs der Weltfestspiele in Moskau ausgezeichnet, 1959 mit dem amerikanischen Copley Prize für den besten europäischen Komponisten geehrt. Zudem erhielt er den ersten Preis des International Institute of Music in London.
Während dieser Zeit entstanden in enger Zusammenarbeit mit internationalen Bühnen Ballettmusiken wie Griechischer Karneval, Les Amants de Téruel und Antigone. Nach seinem Studium kehrte er 1960 nach Athen zurück. Die Oratorien und Liederzyklen, die er in den nächsten 20 Jahren schrieb, seien „politisch und sozial engagiert, kunstvoll und volksverbunden zugleich“, heißt es auf der Homepage von Schott Music.
Während der Zeit der griechischen Militärjunta 1967-1974 wurde Theodorakis’ Musik verboten. Der Künstler wurde festgenommen und gefoltert, dann in das Bergdorf Zatouna verbannt und schließlich ins Gefangenenlager Oropos überführt. Durch internationalen Druck kam er frei und wurde nach Frankreich abgeschoben. Ab 1970 lebte er in Paris im Exil, bei Konzertreisen warb er für den Widerstand gegen die Junta und für die Wiederherstellung der Demokratie in seiner Heimat. Besondere Schwerpunkte seines Schaffens lagen in dieser Zeit bei zahlreichen großformatigen Liederzyklen.
„Canto General“
Zu diesen Zyklen gehört auch die Vertonung des „Canto General“, des großen Epos des chilenischen Dichters Pablo Neruda, in dem der Freiheitskampf der Völker Lateinamerikas dargestellt wird. Es sollte in Chile unter Präsident Salvador Allende uraufgeführt werden. Dazu kam es jedoch nicht aufgrund des Militärputsches am 11.September 1973, bei dem Allende ums Leben kam und seinem Experiment eines demokratischen Sozialismus in Chile ein gewaltsames Ende gesetzt wurde.
Die Welturaufführung des „Canto General“ von Neruda, der wenige Tage nach dem Putsch verstarb, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Für seinen Freund komponierte Theodorakis ein bewegendes Requiem.
Nach dem Sturz der griechischen Militärjunta konnte die Welturaufführung des „Canto General“ dann in Griechenland stattfinden. Wenn man die Fernsehübertragung des Konzerts am 13. August 1975 im Karaiskakis-Stadion in Piräus gesehen hat, bleiben einem die Szenen unvergesslich: Dirigent Mikis Theodorakis und seine Solisten Maria Farantouri und Petros Pandis – umjubelt von der griechischen Bevölkerung, die den Sturz der Militärdiktatur und die Wiedererlangung ihrer Freiheit feiert und dem Komponisten damit ein triumphales Comeback in seiner Heimat bereitet.
125.000 Menschen sahen den „Canto General“ in verschiedenen griechischen Städten. (Ausschnitte zum Konzert von 1975 finden sich auf YouTube hier und hier, der gesamte „Canto General“ in einer Aufführung aus München von 1981 hier.)
Politisches Engagement
Theodorakis engagierte sich in der griechischen Politik, zunächst auf Seiten der kommunistischen Partei, später als unabhängiger Abgeordneter im Parlament. 1980 zog er sich erneut nach Paris zurück. Hier komponierte er neben sinfonischen Werken die Opern Medea, Elektra und Antigone, Neuinterpretationen der klassischen Mythologie.
In den 90er Jahren wurde Theodorakis als unabhängiger Linker zum Staatminister ohne Geschäftsbereich in der konservativen griechischen Regierung Mitsotakis ernannt. Er machte sich 1990 bis 1992 vor allem eine Bildungs- und Kulturreform zur Aufgabe und setzte sich für die Aussöhnung von Griechen und Türken ein. Nach dem Rückzug aus der Staatspolitik wurde er ab 1993 Generalmusikdirektor des Symphonie-Orchesters und Chores des Hellenischen Rundfunks und Fernsehens und war auch als Dirigent seiner eigenen Werke gefragt.
In Athen gilt Theodorakis bis heute als unerschütterlicher Kämpfer für die Belange des Volkes, als dessen Stimme und bei vielen Anlässen erklingt in Griechenland seine Musik. Mitte Juli fand im Athener Irodion ein Konzert zu seinen Ehren statt. Dirigent war Loukas Karitinos, Mitwirkende waren u.a. das Staatliche Orchester Athen, die Chöre der Stadt Athen und der Nationalen Technischen Universität. Auf dem Programm standen die Erste Symphonie und „Axion Esti“. Ein Filmausschnitt auf YouTube zeigt die Ankunft des betagten Künstlers am Veranstaltungsort.
Auf seiner Homepage betonten seine Freunde, wie wichtig er ihnen gerade im heutigen Griechenland ist: „Wir brauchen deine weiße Mähne und deine blitzenden Augen vorn an der Spitze des Kampfes, verwundet, gewiss, aber immer noch vollkommener Bürger, der die gerechte Sache mit seiner angeborenen Tapferkeit und Integrität verteidigt. Wir lieben dich, Mikis Theodorakis, wir lieben und brauchen dich“.
Ehrungen
Im Jahr 2000 wurde Theodorakis mit großer Unterstützung nicht nur aus der griechischen Bevölkerung für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und von der Kommission in den engsten Auswahlkreis aufgenommen. Für sein künstlerisches Lebenswerk im Bereich Filmmusik wurde er 2002 im Rahmen der Internationalen Filmmusik Biennale in Bonn mit dem Erich-Wolfgang-Korngold-Preis geehrt. Im November 2005 erhielt er in Aachen den UNESCO Kunst- und Musikpreis.
Den First Cut eines Filmprojekts, des poetischen Roadmovies „Dance Fight Love Die – Unterwegs mit Mikis“, hat der Regisseur Asteris Kutulas im Juli in Berlin vorgestellt. Es speist sich aus einem Fundus von 600 Stunden unveröffentlichtem, privatem Film-Material zu Theodorakis.
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Quellen:
www.schott-musik.de/news/archive/show,11943.html
www.mikis-theodorakis.net/index.php/de/
Bericht-Nr.: 150804-04DE Datum: 4. August 2015
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