Nachrichtenbeitrag
Berühmtester Waldorf-Alumnus kommt zurück nach Deutschland
BERLIN (NNA) – Nobelpreisträger Prof. Thomas C. Südhof – derzeit der berühmteste Absolvent einer Waldorfschule – wird ab dem Herbst wieder in Deutschland forschen. Wie das Berliner Institut für Gesundheitsforschung mitteilte, ist es der Stiftung Charité gelungen, Prof. Südhof zurück nach Deutschland zu holen. Der Wissenschaftler arbeitet zur Zeit als Professor für Zellphysiologie an der Stanford University in Kalifornien. Ab Herbst diesen Jahres wird er seine Arbeit als „Visiting Fellow“ in Berlin aufnehmen.
Prof. Südhof, der 2013 mit zwei Kollegen zusammen für die Erforschung der Kommunikation zwischen den menschlichen Zellen mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, ist Absolvent der Waldorfschule Hannover-Maschsee, die er bis zum Abitur 1975 besuchte. Seit 1983 lebt und forscht er in den USA.
Ermöglicht wurde seine Rückkehr jetzt durch Forschungsfördermittel der privaten „Exzellenzinitiative Quandt“, die von der Stiftung Charité verwaltet werden. Die Unternehmerin Johanna Quandt hatte dem Institut für Gesundheitsforschung 2012 Mittel in Höhe von bis zu 40 Mio EUR für zehn Jahre zugesagt. „Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit meinen Kollegen hier in Berlin. Mit dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung und durch die Private Exzellenzinitiative von Frau Quandt sind hier erstklassige wissenschaftliche Bedingungen geschaffen worden“, so Professor Südhof zu seiner Rückkehr.
Der Wissenschaftler wird zusammen mit Prof. Christian Rosenmund ein Projekt aufbauen, das sich auf die Frage konzentrieren wird, wie Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren und wie diese Kommunikation durch Krankheiten gestört wird. Südhof ist damit auch der erste Gastwissenschaftler am Berliner Institut. Seit seiner Gründung im November 2012 bündelt und fördert es die wissenschaftliche Kooperationen zwischen der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in den Bereichen Grundlagenforschung und klinische Forschung.
Erziehung zur Unabhängigkeit
Bei Prof.Südhofs letztem Deutschlandaufenthalt hatten zwei Vertreter des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) die Möglichkeit, den berühmten Waldorf-Alumnus zu interviewen. Themen des Gesprächs waren seine Forschungstätigkeit, sein Leben als Nobelpreisträger und seine Erinnerungen an die Waldorfschulzeit.
Auf die Frage, was ihm von seiner Waldorfschulzeit am stärksten in Erinnerung geblieben sei, nannte Südhof vor allem die Persönlichkeiten der Lehrer. „Es waren sehr viele verschiedene Lehrer, die eigene Auffassungen hatten, aber auch die Toleranz, sie mit uns zu diskutieren“. Die Begegnung mit diesen Lehrern beeindrucke ihn noch heute. Da sei z.B. sein Klassenlehrer gewesen, der viel von seiner früheren Ausbildung als Geograph erzählt habe und davon, wie er als Forscher in Spitzbergen überwintert habe. „Das ist mir noch ganz stark im Gedächtnis“, sagte Südhof. Außerdem habe er in der Oberstufe mit den Lehrern immer wieder über Sinn und Zweck der Eurythmie debattiert.
In der Waldorfpädagogik sieht Südhof „viele Stärken“, die wichtigste sei die Erziehung zur Unabhängigkeit. „Dass man selber initiativ wird, das hat auch mit Kreativität zu tun“, meinte er. Später sei es nicht so wichtig, was man könne, sondern dass man Initiative ergreife und tatsächlich selber tätig werde. Einen weiteren Pluspunkt der Waldorfschule sieht der Wissenschaftler in ihrem Gesamtschulcharakter, der Schüler nicht zu früh selektiert. Verbesserungswürdig findet er im Rückblick auf die eigene Schulzeit den Dialog der Waldorfschulen mit ihrem Umfeld.
Interessen folgen
Danach gefragt, was er jungen Leuten heute empfehlen würde, die wie er damals nach dem Abitur nicht wüssten, welchen Berufsweg sie einschlagen sollten, meinte Prof. Südhof: „Sie sollten das machen, was sie wirklich interessiert und weniger nach Jobs und der Zukunft fragen“. Auch jungen Wissenschaftlern, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen, rate er stets, in erster Linie ihren Interessen und Neigungen zu folgen.
Er selbst habe sich zunächst das Medizinstudium gewählt, weil es ihm viele Möglichkeiten eröffnet habe und der Beruf des Arztes ihm sinnvoll erschienen sei. Erst im Lauf des Studiums habe er sich für den Weg des Wissenschaftlers entschieden, weil er in der Medizin starke Unzulänglichkeiten erlebt habe: „Die Medizin versteht nicht, wie Krankheiten entstehen. Das war der Ausgangspunkt für mein Forschungsinteresse.“
Als die wichtigsten Aufgaben der Wissenschaft im 21. Jahrhundert nannte der Nobelpreisträger – neben Klimawandel und der durch Überwachung bedrohten Meinungsfreiheit – die Erforschung der Krankheiten des Nervensystems. Hier zeige sich erheblicher Forschungsbedarf sowohl bei den Jugendlichen mit Autismus, Depression und Schizophrenie als auch bei den älteren Menschen mit Alzheimer oder Parkinson. „Das ist eine wahnsinnige Herausforderung, weil wir nicht wirklich verstehen, was da passiert.“ In dem genannten Kontext steht jetzt auch seine Forschungstätigkeit in Berlin.
Das vollständige Interview, das BdFWS-Vorstandsmitglied Henning Kullack-Ublick und Pressesprecherin Celia Schönstedt Ende Januar in Berlin geführt hatten, ist auf Youtube zu sehen (siehe Link unten). Eventuelle Rückkehrpläne nach Deutschland hatte er darin noch nicht erwähnt.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 140302-05DE Datum: 2. März 2014
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