Nachrichtenbeitrag
Alternative Medizin soll auch Tieren zugute kommen
Anthroposophische Tierärzte sorgen sich um die Sicherung ihrer Heilmittel. Die Bedingungen verschärfen sich zunehmend.
Immer mehr Tierbesitzer und auch die Landwirte der Biohöfe wünschen sich für ihre Haus- oder Nutztiere Behandlungen aus der alternativen Medizin. In der anthroposophischen Tiermedizin wurden daraus jetzt Konsequenzen gezogen. NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner berichtet.
DARMSTADT/DORNACH (NNA) – Ein steigendes Interesse an anthroposophischer Tiermedizin verzeichnet die Medizinische Sektion des Goetheanum, der Hochschule für Geisteswissenschaft, in Dornach schon seit einiger Zeit. Auf ihrer Jahreskonferenz vom 13.-16.9. gibt es daher bereits zum zweiten Mal auch eine Arbeitsgruppe der Tierärzte. Dieses Jahr hat sie das Thema „Das Nest – vom Tierreich zum menschlichen Herzen“ und findet in drei Sprachen statt. (Deutsch, Englisch, Italienisch).
Außerdem sollen die Aktivitäten der anthroposophischen Tierärzte künftig auch auf der Homepage der Medizinischen Sektion einen Platz finden. Für die Koordinatorin dieser Aktivitäten, die italienische Tierärztin Dr. Sabrina Menestrina, hängt diese Entwicklung mit dem wachsenden Interesse für das Tierwohl in der Landwirtschaft zusammen und auch mit der Tatsache, dass es in den Familien immer mehr Haustiere gibt.
Bisher arbeiten die anthroposophischen Tierärzte schon in der IGAT zusammen, der Internationalen Gesellschaft für Anthroposophische Tiermedizin. Dr. Kathrin Goebel ist Vorstandsmitglied der IGAT. Im Gespräch mit NNA erläutert sie die Arbeit des Vereins, dem Tierärzte aus Deutschland, der Schweiz und Österreich angehören.
„Wir arbeiten überwiegend an den Grundlagen, berichten uns gegenseitig über Fälle und diskutieren, welche Heilmittel zum Einsatz kommen können“. Für diese Grundlagenarbeit wird zum einen der landwirtschaftliche Kurs von Rudolf Steiner, zum anderen seine Schriften zur Humanmedizin herangezogen, eigene Angaben zur Tiermedizin gibt es nicht. „Das ist spannend, weil wir das alles selbst entwickeln müssen“, berichtet Dr. Goebel.
Verschärfung der Bedingungen
Die IGAT-Tierärzte treffen sich mit ca 10-20 Personen dazu zweimal im Jahr. „Die Tierärzte sind eine sehr heterogene Gruppe, da gibt es die Kleintiermedizin und diejenige für die Nutztiere. Bisher war es so, dass letztere eher bei den landwirtschaftlichen Tagungen anwesend waren und die andern eher bei der Medizinischen Sektion.“ An den IGAT-Treffen nehmen auch andere Interessierte aus Landwirtschaft, Pharmazie und Forschung teil.
Von der Anbindung an die Medizinische Sektion erhoffen sich die Tierärzte auch eine stärker Bündelung ihrer Interessen, da die Tiermedizin von der Gesetzgebung der EU immer mehr betroffen ist. Sie macht es den anthroposophischen Tierärzten wie auch ihren homöopathischen Kollegen zunehmend schwer, ihre Heilmittel einzusetzen. Da viele Naturheilmittel nicht extra für Tiere zugelassen sind, werden sie oft aus der Humanmedizin übernommen.
„Es genügt nicht, dass diese Heilmittel für den Menschen zugelassen sind“, erläutert Dr. Goebel, sie benötigten eine eigene Zulassung für die Tiermedizin. Die Bedingungen dafür verschärften sich ständig. „Das hängt mit der Problematik zunehmender Antibiotikaresistenzen zusammen. Von der Verschärfung der Gesetze sind dann auch die alternativen Heilmittel betroffen. Diese Vorschrift gilt, obwohl diese Heilmittel mit der zunehmenden Resistenz nichts zu tun haben“.
Die Heilmittel fallen insbesondere bei lebensmittelliefernden Tieren unter ein aufwendiges Kaskadensystem. Es legt eine Reihenfolge für die Medikamentengabe fest, wenn es kein passendes Tierarzneimittel gibt, muss ein z.B. anderes Tierarzneimittel genommen werden. Außerdem gibt es bei den Nutztieren eine 28tägige Wartezeit, die eingehalten werden muss nach der Medikamentengabe, bis die Tiere verzehrt werden dürfen.
Vereinte Kräfte
Für Firmen, die alternative Heilmittel herstellen, lohnt sich das kostenaufwendige Verfahren für die Zulassung der Arzneimittel für Tiere nicht. Dazu sei die Menge zu klein, in der sie verwendet werden, so Dr. Goebel. In der Frage der Heilmittel und ihrer Zulassung wollen die anthroposophischen Tierärzte jetzt aktiv werden. „Wieviel wir da schaffen, hängt von unserer Vernetzung mit anderen „Betroffenen“ ab, denn wir machen das neben unserer Haupttätigkeit als Tierärzte, Landwirte und an Forschungsinstituten“.
Aber es sei wichtig, die Stimme in Brüssel zu erheben und die Möglichkeit der Verwendung der Heilmittel zu sichern. Für Dr. Sabrina Menestrina ist auch die Zusammenarbeit mit den Organisationen der biodynamischen Landwirtschaft besonders wichtig, Sie selbst ist auch im Vorstand der International Biodynamic Association (IBDA). „Wenn wir etwas unternehmen wollen hinsichtlich der EU-Richtlinien, müssen sich alle einigen – die Bioverbände und die Tierärzte“.
Besonders strikt sind die Vorschriften für Medikamente für Nutztiere auch für die Landwirte selbst. „Wenn eine alte Dame ihrem Hund Globuli gibt, der krank ist, fragt keiner danach. Der Landwirt, der seine Kuh selbst naturheilkundlich behandeln will, darf das nicht mehr, er muss den Tierarzt konsultieren. Und da fängt dann das Problem mit der Zulassung der alternativen Heilmittel an – das teilen wir mit unseren Kollegen aus der homöopathischen Tiermedizin“.
Dr. Goebel hat auch eine Ausbildung in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft vor ihrem Studium absolviert und lebt auf einem Hofgut in der Nähe von Darmstadt. „Man hat ein ganz anderes Verhältnis zu den Tieren, wenn man selbst welche hält“, berichtet die Tierärztin, die auf Nutztiere spezialisiert ist.
Was sind aber nun die Themen, die die Tierärzte in ihrer Grundlagenarbeit behandeln? Bei den Kleintieren ist Krebs ein „ganz großes Thema“. Dadurch, dass auch die Tiere immer älter würden, erkrankten sie auch häufiger an Krebs. Hier befassen sich die anthroposophischen Tierärzte mit der Frage, wie ihnen z.B. mit Misteltherapie geholfen werden kann.
„Bei den Nutztieren profitieren wir viel von den Beschreibungen der Tiere und ihres Wesens im landwirtschaftlichen Kurs von Rudolf Steiner. Neben der Behandlung spielen immer auch Themen wie Fütterung und Haltung eine große Rolle. Bei den Kleintieren orientiert man sich hier an der Humanmedizin und schaut, was man da übernehmen kann in Kombination mit einer gründlichen Tierwesenskunde des Hundes oder der Katze“, berichtet Dr. Goebel.
Fortbildung
Kurse zur Fortbildung zur anthroposophischen Tiermedizin hat es auch in Deutschland schon mehrfach gegeben, sogar solche, die offiziell als Fortbildung anerkannt worden sind. In der Arbeitsgruppe bei der Tagung in Dornach wird eine Ausbildung nach italienischem Vorbild diskutiert, wie Koordinatorin Dr. Sabrina Menestrina in ihrer Einladung mitteilt. Seit 16 Jahren gibt es dort eine interdisziplinäre Fortbildung für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker.
Dieses Vorgehen sei besonders wertvoll, weil in ihr verschiedene medizinische Erfahrungen zusammenfließen, schreibt Dr. Menestrina. Es sei auch die einzige, von der Medizinischen Sektion international anerkannte Ausbildung.
Die nächste dreijährige Ausbildung wird im September in Mailand starten. Für die Ausbildung in Deutschland wird an den Standort Stuttgart gedacht und nach Möglichkeit soll sie auch schon 2019 beginnen.
END/nna/ung
Bericht-Nr.: 180804-03DE Datum: 4. August 2018
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